Das Pete Buch 39 - Wer soll da noch durchschauen
den Nichtsnutzereien an wie dein Bruder?"
„Och, Daddy", schmollte Mike, „wo es doch gerade sooo spannend wird. Und Schule haben war ja sowieso nicht, weil kein Lehrer mehr da ist."
Mr. Gray blieb jedoch unerbittlich, und so erfuhr die Öffentlichkeit niemals, wie der Brentsche Familienzwist auslief. Zweifellos aber gelobte Joe seiner besseren Hälfte für alle Zeit Besserung. Denn in den nun folgenden Akten der Kaspar-Hauser-Komödie spielte er nicht mehr mit.
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„Kannst du noch einen Köter sehen, Jimmy?" fragte Sam auf seinem Ast. „Ich muß vor lauter Elend eingedusselt sein. Es ist ja schon heller Tag."
„Nee", bestätigte Sommersproßes „fürstlicher" Leidensgefährte. „Ich sehe keinen. Aber — da hinten kommen sie wieder! Zwanzig, dreißig auf einmal! Sie zeigen auf den Baum! Hunde sind aber nicht dabei. Nur — der Pete . . . und Conny und Sitka und euer ganzer Gerechten-Verein!"
„Treulose Kojoten!" knirschte Sam. „Die wollen sich über uns jetzt lustig machen."
Doch plötzlich erwachte Sommersprosses ganzer Trotz. Noch war er nicht entlarvt, obwohl seine fürstlichen Abzeichen beim Teufel waren.
„Ich klettere vom Baum!" rief er ungestüm, „und wenn dreißig echte Bluthunde nach meinem Skalp schnappen sollten."
Er sprach's und glitt tollkühn auf den Boden hinab.
„Was wünscht ihr von meiner Erhabenheit?" herrschte er die Kolonne an, um dann mit Schrecken zu merken, daß er Englisch gesprochen hatte. „Reiter werden. Sau — Nee! Bloß das nicht! — Götz von — wie heißt das noch? — Götz von Berserkingen!"
Pete schlug sich augenblicklich mit einem Lachkrampf herum. Die Indianer aber begannen einen Freudentanz, die Moslems sangen etwas, was vielleicht die Nationalhymne von Timbuktu sein sollte, Turner und Dulles stießen Hurrarufe aus, der Großwesir legte mit feierlichem „Salem" seine Hand an den Kopf; und als nun auch Jimmy den Weg in die „Unterwelt" wagte, nahm der Jubel für die nächsten fünf Minuten kein Ende mehr.
Die beiden Kaspars wurden wieder in Amt und Würden eingesetzt, und da sie in ihrer völligen Sprachunkenntnis keine Auskunft über die Ursache ihrer Flucht auf den Baum geben konnten, ließen es die Somerseter dabei bewenden. Jimmy zog wieder zu Mr. Dulles und Sam zu Mr. Turner. Pete, von allem Verdacht befreit, erreichte durch geschickte Andeutungen über die zweifelhafte Rolle des Großwesirs, daß Jack Smaller auf Beschluß der Bürgerschaft noch für einen Tag bei Wasser und Brot ins Jail bleiben mußte. Dann erhielt auch er die Freiheit wieder, und der Rummel im Town kam erneut auf Hochtouren.
*
Drei Tage nach diesen Ereignissen wankte ein müder, gebrochener Mann in das Büro des Leiters der Kriminalpolizei von San Francisco.
„Noch immer keine Nachricht von meinem Neffen?" fragte er mit hohler Stimme. „Ich selbst habe in der letzten Nacht wieder alle Seemannskneipen abgesucht, bin dreimal verprügelt worden, weil die Matrosen glaubten, ich wollte sie für eine Hungerheuer auf ein Schiff locken, und doch — keine Spur von meinem Jimmy."
„Mr. Watson", sagte der Kriminalbeamte mitleidig, „ich befürchte, Sie sind auf einer kalten Spur. Von meinen Beamten ist auch nicht das geringste ermittelt worden. Dafür las ich gerade in der Zeitung niedliche Sachen über Ihre Heimatstadt. Was ist denn bloß los bei Ihnen?"
„Keine Ahnung", versetzte Old John, trotz seines Kummers die Ohren spitzend. „Kann ich das Blatt auch mal haben?"
„Aber gewiß. Setzen Sie sich ruhig in den Sessel dort; dürfen die Beine auch auf den Tisch legen. Nur rate ich Ihnen, sich nicht zu weit nach hinten zu lehnen, sonst kippen Sie vor Überraschung womöglich um."
Der Hilfssheriff machte es sich also bequem, blätterte die Zeitung auf und las, während seine Augen größer und sein Gesicht länger wurden:
„Aus Tucson wird gemeldet, daß sich in Somerset seit einigen Tagen rätselhafte Ereignisse abspielen. Jeder gebildete Amerikaner kennt die Geschichte von Kaspar Hauser, jenem berühmten Findling aus Germany, der ein aus der Wiege entführter Prinz war. Nun sind in Somerset zwei junge Leute aufgetaucht, die allen Ernstes behaupten, der bewußte Hauser zu sein. Der eine von ihnen wird von einer Indianergruppe, die mittlerweile auf fünfzig Mann angewachsen ist, als Enkel Sitting Bulls beansprucht; der andere soll von einer Abordnung aus Timbuktu unter Führung eines angeblichen Großwesirs nach Afrika geholt werden. Merkwürdigerweise legt keiner von
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