Das Peter-Prinzip
Propagandist, der von Tür zu Tür zieht und neue Wähler wirbt,
kann mit Beförderung rechnen. Vielleicht überträgt man ihm
die Organisation eines Propagandateams. Der erfolglose oder
den Wählern unsympathische Propagandist dagegen putzt
weiter Türklinken und schreckt Wähler ab.
Wer flott Briefkuverts mit Propagandamaterial voll stopft,
wird vielleicht Leiter einer Gruppe von Kuvertleckern. Ein
unfähiger Briefefüller dagegen kommt nicht voran, füllt langsam und ungeschickt die Umschläge, steckt zwei Prospekte in einen Brief und dafür in andere gar keinen, faltet die Blätter falsch, lässt sie auf den Boden fallen etc. Er macht so weiter, solange er dieser Partei treu bleibt.
Wer sich als fähig erwiesen hat, Gelder für die Parteikasse zu
mobilisieren, schafft es vielleicht, in das Komitee aufgenommen
zu werden, das die Kandidaten nominiert. Obwohl er ein guter
Almosenjäger war, braucht er nicht notwendigerweise auch ein
guter Menschenkenner mit einem Blick für fähige Gesetze‐
macher zu sein. Es könnte daher passieren, dass er den falschen
Kandidaten unterstützt.
Selbst wenn die Mehrzahl des Nominierungsausschusses aus
guten Menschenkennern besteht, so wird sie dennoch die
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Kandidaten nicht nach ihrer potenziellen Weisheit als Gesetzgeber auswählen, sondern danach, ob sie fähig erscheinen, die Wahl zu gewinnen.
Der große Schritt: Kandidat für die Parlamentswahl
In alten Zeiten, als die entscheidenden Wahlschlachten noch
in öffentlichen Massenversammlungen geschlagen wurden und
die Kunst der freien Rede entsprechend hoch im Kurs stand, konnte ein fesselnder Redner auf die Nominierung durch seine
Partei rechnen. Der beste Redner unter den Kandidaten hatte wiederum die größten Aussichten, den Sitz zu gewinnen. Aber
natürlich war die Fähigkeit, einer Masse von zehntausend
Wählern zu schmeicheln, sie zu amüsieren und durch Stimme
und Gestik in Schwung zu bringen, nicht unbedingt auch mit der Fähigkeit gepaart, logisch zu denken, nüchtern zu diskutieren und über die Angelegenheiten der Nation vernünftig
abzustimmen.
Seit das Fernsehen im Wahlkampf eine so wichtige Rolle
spielt, liegt für die Parteien die Versuchung nahe, den Kandidaten aufzustellen, der auf dem Bildschirm am besten wirkt.
Doch die Gabe, mit Hilfe von Schminke und Ausleuchtung ein
attraktives Bild auf die Mattscheibe zu zaubern, ist noch lange
keine Garantie für einen befriedigenden Auftritt im Parlament.
Sowohl unter dem alten wie unter dem neuen System hat so
mancher mit dem Sprung vom Kandidaten zum Abgeordneten
gleichzeitig auch seine Stufe der Inkompetenz, der Unfähigkeit
als Gesetzgeber, erreicht.
Unfähigkeit in der Gesetzgebung
Die gesetzgebenden Körperschaften sind selber wieder eine
Hierarchie. Ein gewählter Abgeordneter, der sich schon als
Hinterbänkler unfähig erweist, kommt nicht vorwärts.
Aber ein fähiger Abgeordneter kommt für den Aufstieg in
eine Position mit mehr Machtbefugnissen infrage. Er kann
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Mitglied eines wichtigen Ausschusses, Ausschussvorsitzender
oder — je nach Konstruktion des politischen Systems — auch Minister werden. In jedem dieser Ämter kann er sich dann
möglicherweise als unfähig erweisen.
Wir sehen also, dass das Peter‐Prinzip im gesamten Bereich der Legislative wirksam ist — vom einfachsten Parteifunktionär
aufwärts bis zu den Inhabern der höchsten Ämter. Jeder von ihnen hat die Neigung, bis zu seiner Stufe der Inkompetenz aufzusteigen, und bei jedem Amt besteht die Wahrscheinlich-keit, dass es früher oder später von jemandem übernommen
wird, der unfähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen.
Die Exekutive
Sie werden jetzt sicherlich keinen Zweifel mehr daran haben,
dass das Prinzip auch für die Exekutive zutrifft. Es gilt für Re‐
gierungsstellen, Behörden und Ämter auf Bundes‐, Länder‐ und
Gemeindebene. Ob es sich um die Polizei oder die Armee
handelt — immer sind es fest gefügte Hierarchien mit bezahlten
Beamten und Angestellten. Sie alle sind notwendigerweise voll
gestopft mit Unfähigen, die ihre täglich anfallende Arbeit nicht
erledigen können. Sie werden nicht befördert, aber man wird sie auch nicht mehr los.
Jede Regierung — ob in einer Demokratie oder einer Dikta‐
tur, ob eine kommunistische oder westliche Bürokratie — muss
zusammenbrechen, wenn ihre Hierarchie einen unerträglichen
Reifegrad ∗ erreicht hat.
∗ Die Effizienz einer Hierarchie ist umgekehrt
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