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Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Titel: Das Phantom auf dem Feuerstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Sie getroffen haben?“
    „Am Waldrand. Sie hatten Ihren
Feldstecher mit und sagten, sie machten Jagd auf Ausblicke. Ich erzählte Ihnen,
daß ich Blätter und Borkenstrukturen für den Biologie-Unterricht sammle.“
    „Jetzt entsinne ich mich. Und?“
    „Ich muß mit Ihnen reden.“
    „So? Mußt du das? Worüber?“
    „Ich glaube, Herr Herfurth, es wäre
nicht in Ihrem Interesse, wenn ich das hier am Telefon sage. Nur soviel: Ich
und meine Freunde — wir haben Sie durchschaut. Es liegt jetzt an Ihnen, was
geschieht. Entweder Sie kommen her, und wir reden miteinander; oder wir gehen
gleich zur Polizei.“
    „Zur... Oh!... Wieso? Moment mal! Ich...
mache nur rasch die Tür zu. Das heißt... Ja, wir sollten miteinander reden“, er
stammelte. Es war jämmerlich, ihn anzuhören.
    „Wo?“ fragte er dann. Seine Stimme
klang, als werde ihm die Kehle zugeschnürt.
    „Wir sind in dem Eis-Café in der
Friedrichstraße. Viel Zeit haben wir nicht. Am besten, Sie kommen sofort.“
    „Ja“, antwortete er schwach. „Sofort.
Bin gleich da.“
    Tarzan legte auf. Seine Hand war ein
bißchen feucht. Er rieb sie an der Hose.
    „Hast alles mitgehört, ja? Jetzt hat er
Schiß. Ich glaube nicht, Gaby, daß wir uns vor dem in Acht nehmen müssen. Diese
Wegelagerer-Typen sind so: Aus dem Hinterhalt zur größten Gemeinheit fähig.
Aber wenn sie ertappt werden, fallen sie auf die Knie.“

10. Man kann sich irren
     
    Sie saßen am Tisch und warteten.
    Gaby scheuerte auf ihrem Stuhl hin und
her, als hätte sie Ameisen in den Jeans. Klößchen knetete unentwegt die Hände,
als forme er Schneebälle. Karl nahm seine Nickelbrille ab, polierte sie mit
einem Zipfel des Tischtuches, setzte sie auf, nahm sie abermals ab, polierte
einen blinden Fleck, der gar nicht vorhanden war, und grinste schließlich über
sein eigenes Verhalten.
    Tarzan behielt den Eingang im Auge.
Aufgeregt war er jetzt nicht mehr, aber gespannt.
    Draußen hielt ein Wagen. Herfurth stieg
aus.
    Schlagartig hörte am Tisch die Zappelei
auf.
    „Er kommt“, wisperte Klößchen
überflüssigerweise. Aber wie er kam!
    Mit müden Schritten. Mit müden
Bewegungen. Mit sehr bleichem Gesicht, von dem sich die Sommersprossen wie
Fliegendreck abhoben.
    Er bemerkte die Kinder. Zögernd näherte
er sich. Als er am Tisch stand, sahen sie, daß er schwitzte. Schweißperlen
glitzerten auf Oberlippe und Stirn.
    Tarzan stand auf, es gab keinen Grund,
unhöflich zu sein.
    „Bitte, setzen Sie sich.“
    Herfurth nickte und nahm Platz auf dem
Stuhl, den Tarzan für ihn bereitgestellt hatte.
    Die Bedienung kam sofort. Herfurth
bestellte Cognac und Bier.
    Tarzan wartete, bis die Frau an der
Theke war. Dann sagte er: „Wir wissen, was Sie getan haben, Herr Herfurth. Und
es wäre unsere Pflicht, Sie bei der Polizei anzuzeigen. Aber zufällig haben wir
heute nachmittag Ihre Tochter Claudia kennengelernt. Sie ist bedauernswert und...“
    „Ach? Ihr wart das?“ sagte Herfurth. „Claudia
hat den ganzen Abend von euch erzählt. Ihr wärt sehr nett. Sie freut sich, daß
sie am Sonntag bei dem Meisterschaftsspiel dabei sein kann.“
    „Darf ich fortfahren“, sagte Tarzan: „Claudia
sagte uns, daß sie ohne Sie und ohne Ihre Frau keinen Lebensmut hätte. Deshalb
erwägen wir, die Polizei aus dem Spiel zu lassen. Weil wir glauben, daß Ihre
Tochter noch mehr leiden würde, wenn Sie ins Gefängnis kämen. Allerdings — wir
sind nur unter einer Voraussetzung zum Schweigen bereit.“
    Herfurth zog sein Taschentuch hervor
und betupfte sich die Stirn. Fragend sah er Tarzan an.

    „Sie müssen uns versprechen“, sagte
Tarzan, „daß Sie so etwas nie wiedermachen. Daß Sie sofort damit aufhören.“
    Herfurths Augen verengten sich.
Wachsamkeit trat in seinen Blick.
    „Natürlich“, sagte er heiser. „Nie
wieder. Das verspreche ich. Ich hätte das ohnehin nie wieder getan.“
    „So? Wirklich?“ fragte Tarzan
ungläubig.
    Herfurth nickte heftig.
    Einen Moment schwiegen alle. Die
Bedienung brachte Cognac und Bier. Herfurth stürzte den Cognac hinunter und
trank das halbe Bier auf einen Zug.
    „Ich möchte euch danken“, sagte er
leise. „Euer Verhalten ist sehr, sehr menschlich.“
    „Wir tun es für Ihre Tochter.“
    „Das meine ich.“
    „Ich verstehe nicht, wie man sich in
einen so wahnsinnigen Haß steigern kann“, sagte Tarzan. „Um ein Haar — und Sie
hätten mich umgebracht. Ich kann von Glück sagen. Aber Dr. Bienert liegt mit
einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Ich

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