Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Titel: Das Phantom auf dem Feuerstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
der jetzt, daß er bestimmt vor Aufregung
nicht schlafen kann.“
    Tarzan setzte sich auf sein Bett. „Ja,
ich habe ihn geblufft.“
    „Erstklassig.“
    „Ich weiß nicht.“
    „Wieso? Warum siehst du’n so grämlich
aus?“
    „Es ist doch eine üble Methode, Willi.
Leider funktioniert sie fast immer, wenn man bei jemanden was durchsetzen will.
Man muß die dunklen Punkte des anderen kennen. Jeder hat welche. Und damit kann
man ihn unter Druck setzen. Die Politik lebt davon. Aber es ist schäbig. Und
nennen wir es ruhig so, wie es heißt: Erpressung. In unserem Fall war es zwar
Notwehr. Aber eigentlich schäme ich mich. Braun denkt doch jetzt, wir hätten
die Fotos und könnten ihm zusetzen.“
    „Hm.“ Klößchens Heiterkeit verflog. Er
setzte sich auf. „Stimmt, was du sagst. Und Braun ist ja nun wirklich kein
übler Kerl.“
    „Er spinnt ein bißchen. Manche
Erwachsenen glauben, sie könnten einen für dumm verkaufen. Such’ mal einen, der
zugibt, daß er miserabel in der Schule war und nichts als Streiche im Kopf
hatte. Wenn man die meisten hört, bestand deren Generation nur aus
Musterschülern. Man muß sich wundern, wieso die Welt noch kein Paradies ist.
Aber ich finde: Erwachsene, die zugeben: ,Ja, wir haben genau soviel Mist
gebaut wie ihr’, und dann Ratschläge erteilen und Ermahnungen — die sind doch
viel glaubwürdiger. Die nimmt man ernst.“
    Klößchen nickte. „Exakt! So ist es.“
    Tarzan dachte eine Weile nach. Dann
stand er auf. „Ich bieg’ das wieder hin. So geht’s nicht.“
    „Was denn?“
    „Ich sage Braun die Wahrheit.“
    „Au Backe. Das nenne ich Mut. Ist aber
stark von dir.“
    Tarzan grinste. „Ich fühle mich ganz
anders.“
    Er trat auf den Flur. Assessor Braun
war nirgends zu sehen. Nebenan in der RÄUBERHÖHLE war er nicht. Auch nicht in
der GROTTE — wie die nächste Bude hieß.
    Tarzan suchte ihn im ganzen Haus, dem
Haupthaus. Vergebens.
    Als er ins Freie trat, sah er, daß
drüben im Pauker-Silo — dem Gebäude, in dem nur Lehrer und Erzieher wohnten —
hinter Brauns Fenster Licht brannte.
    Tarzan ging hinüber und klingelte.
    „Nanu, du?“
    Braun hatte seine Jacke abgelegt. Er
war ziemlich blaß, und unter dem linken Auge zuckte ein Muskel.
    „Kann ich Sie einen Moment sprechen,
Herr Assessor?“
    „Klar, komm rein!“

    Braun bewohnte als Junggeselle ein
großes Apartment. Es war supermodern eingerichtet — mit viel Glas und Metall.
An den Wänden hingen Graphiken, die nichts Gegenständliches zeigten, sondern
geometrische Formen, gefärbte Spiralnebel, zerhackte Bauklötze, willkürliche
Kleckse — oder was immer das sein mochte.
    „Nun, Tarzan?“
    „Ich möchte mich entschuldigen“, sagte
der Junge. „Ich habe Sie angelogen.“
    Braun lächelte, sagte aber nichts.
    „Es existiert kein Foto von jenem
Abend, als Sie angetrunken aus der Bar kamen“, fuhr Tarzan fort. „Sie wurden
zwar beobachtet, aber nicht fotografiert. Ich weiß nicht, warum ich das vorhin
behauptet habe. Vielleicht, weil mich Ihre Vorhaltungen nervten. Und weil ich
mich irgendwie in die Enge getrieben fühlte. Jetzt tut es mir leid.“
    „Setz’ dich!“ sagte Braun. „Möchtest du
eine Cola?“
    „Gern.“
    Der Assessor ging in die kleine Küche
nebenan, brachte Glas und Limonade. Er selbst trank ein Bier. Grinsend stieß er
mit Tarzan an.
    „Es spricht für dich, Tarzan, daß du
hergekommen bist. Ich hätte wahrscheinlich eine unruhige Nacht gehabt. An jenem
Abend hätte ich nicht mehr fahren dürfen. Später habe ich mir schwere Vorwürfe
gemacht. Wenn ich in Zukunft nochmal... dann lasse ich den Wagen stehen.“
    „Sie nehmen mir die Lüge nicht übel?“
    „Natürlich nicht! Du hast dich
behauptet. So bist du — bleib’ so! Nur warst du in der Wahl des Mittels etwas
bedenkenlos. Aber du hast darüber nachgedacht, es begriffen und dann die nötige
Courage (Mut) gehabt, um herzukommen. Alles okay, Tarzan. Du kannst
sogar daraus lernen. Behaupten muß man sich. Aber es kommt darauf an, wie!
Richtig entschieden hast du dich, wenn deine Mittel ehrlich und fair sind.“
    Tarzan blieb noch eine Weile. Als er
sich dann verabschiedete, wußte er: In Assessor Braun hatte er jetzt einen
Freund.
    Als er zum Haupthaus hinüberging, kam
ihm Klößchen entgegen.
    „Gaby ist am Telefon. Schnell!“

11. Die neue Spur
     
    Sie rannten zur Besenkammer. Die
Telefonzelle hieß so, weil sie früher mal eine Besenkammer gewesen war. Man sah’s
ihr an. Eng war sie, und muffig.

Weitere Kostenlose Bücher