Das Phantom im Opernhaus
am besten: Vielleicht hast du einen Tipp für mich, wie ich das am schlauesten anstelle.«
»Geh in ihr Büro beim Oberlandesgericht. Wenn sie die Tür hinter euch zumacht, seid ihr völlig ungestört.«
»Nein. Zu unpersönlich.«
»Dann trefft euch meinetwegen bei ihr zuhause. Oder bei dir. Was ist daran denn so kompliziert?«
»Im Prinzip gar nichts. Aber gibt es nicht vielleicht einen Ort, der ihr besonders viel bedeutet und der gleichzeitig etwas abgelegen ist? Ich möchte, dass uns wirklich niemand dazwischenfunkt, wenn ich ihr …«
Hannah rückte mit ihrem Stuhl näher heran. »Willst du ihr einen Antrag machen?«, fragte sie und machte große Augen.
»Nicht so laut!« Paul sah sich beunruhigt nach den anderen Gästen um. »Es soll doch eine Überraschung werden.«
»Hätte nie gedacht, dass du dich einmal dazu aufraffen würdest«, meinte Hannah. Dennoch war ihr deutlich anzumerken, dass sie sich über diese Neuigkeit sehr freute. »Wenn du einen Tipp von mir willst: Lade sie an einen Ort ein, wo euch möglichst keiner kennt und wo es kein Mobilfunknetz gibt. Dann hast du vielleicht die Chance, zehn Minuten störungsfrei mit Frau Oberstaatsanwältin zu plaudern.«
Paul sah sie ratlos an: »Aber wo, bitte schön, soll dieser Ort sein?«
Hannah sah nachdenklich drein. »Keine Ahnung«, sagte sie schließlich. »Du musst dir halt was einfallen lassen.«
»Toller Ratschlag«, murrte Paul. »Darauf wäre ich auch allein gekommen.«
Die Maultaschen wurden mit einem Schälchen zerlassener Butter serviert und waren tatsächlich ein Gedicht. Paul nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit mehr von Jan-Patricks Wald- und Wiesen-Karte zu probieren.
»Sag mal«, begann Hannah kauend ein neues Thema. »Stimmt es, was aus der Gerüchteküche zu hören ist? Du arbeitest neuerdings für die Städtischen Bühnen?«
»Nicht für den ganzen Theaterbetrieb. Nur für die Oper«, schränkte Paul ein.
»Schönes Betätigungsfeld«, kommentierte Hannah, »eine nette Herausforderung. Aber kennst du dich in diesem Metier überhaupt aus?«
»Ich bin ja nur der Fotograf«, versuchte sich Paul im Tiefstapeln, um eine Diskussion über das Thema zu vermeiden, die nur seine Wissenslücken entblößen würde.
»Auch der Fotograf sollte eine Ahnung von dem haben, was er fotografiert.« Hannah schob tatenfroh ihre Ärmel zurück. »Lass uns Günther Jauch spielen. Ich stelle dir ein paar Fragen, und du versuchst, das Beste daraus zu machen.«
»Muss das sein?« Paul war wenig begeistert über diesen Vorschlag.
»Frage eins: Wer komponierte den Lohengrin?«
»Das gehört zum Allgemeinwissen des Franken: Wagner natürlich.«
»Frage zwei: Was weißt du über den Inhalt?«
Paul zögerte. »Den Inhalt? Nun, da war doch etwas mit einem Schwan und einem Ritter auf der Suche nach dem Heiligen Gral …«
Hannah lachte auf: »Ich wusste, du brauchst Nachhilfe! Nein, das war sein Vater Parsifal, darüber gibt’s auch eine Oper. Parsifal hat den Gral dann aber gefunden, und Lohengrin ist nur noch einer der Gralswächter. Also, pass auf: Lohengrin, das ist im Grunde genommen Mystery pur. Sohn und Tochter des gerade verstorbenen Herzogs von Brabant gehen im Wald spazieren, aber nur die Schwester Elsa kehrt zurück. Die wird daraufhin angeklagt, ihren Bruder gemeuchelt zu haben, um das Herzogtum zu bekommen. Da es in der Oper keinen Paul Flemming gibt, der den Fall klären könnte, muss ein Gottesurteil her: Zwei Ritter sollen kämpfen, und wenn Elsas Ritter gewinnt, ist sie unschuldig. Es findet sich aber keiner, der für sie kämpfen will. Und jetzt kommt der Schwan ins Spiel: Der zieht ein ganzes Boot hinter sich her. In dem sitzt, in vollem Blech, Lohengrin, auf Urlaub vom Gralshüten. Er kämpft für Elsa, gewinnt, und – klar! – Heirat inklusive. Daher der bekannte Hochzeitsmarsch. Klingt nach Happy End, aber von wegen: Bedingung für Lohengrins Hilfe ist, dass Elsa ihn nie fragen darf, wo er eigentlich herkommt. Aber – auch klar! – sie macht es doch, die dumme Kuh, woraufhin alles den Bach runtergeht. Mein lieber Schwan, was für ein Elend.« Ganz nebenbei, als wäre es nichts, fügte Hannah hinzu: »Jede Figur hat ein eigenes Erkennungsmotiv, das Musikdrama ist berühmt für seine originellen musikalischen Einfälle. Bei einer Spieldauer von mindestens vier Stunden ist das Stück allerdings nur etwas für beinharte Wagner-Fans.«
»Ach?« Paul sah Hannah mehr als erstaunt an.
»Frage zwei: Wie heißt Giuseppe Verdis
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