Das Phantom im Opernhaus
Hochzeitsformalitäten durchzusprechen, sondern aus einem wichtigen anderen Grund. Wie ihm geheißen, wählte er erst Katinkas Nummer und sagte anschließend bei Pfarrer Fink zu.
19
Drei Halbliterkrüge aus gebranntem Ton vor sich, saßen sie in dem mit Bücherregalen und historischen Zeichnungen überladenen Arbeitszimmer des Geistlichen. Die beiden Männer ließen sich ein Landbier aus der Fränkischen Schweiz schmecken, während Katinka auf einer Apfelschorle bestanden hatte. »Dann wollen wir mal«, eröffnete sie das Gespräch. »Warum sollten wir so kurzfristig zusammenkommen?«
Fink fegte mit einer geübten Bewegung sein schwarzes, zum Pferdeschwanz gebundenes Haar von der Schulter, bevor er zögernd ansetzte: »Ich habe es Paul gegenüber neulich schon angedeutet. Es geht um eine Beichte.«
»Beichte?«, fragte Katinka nicht weniger verwundert, als Paul es tags zuvor getan hatte. »Ich dachte, so etwas hat Martin Luther abgeschafft?«
»So ähnlich habe ich auch reagiert«, meinte Paul amüsiert. »Aber ich musste mich eines Besseren belehren lassen.«
»Vielleicht kommt ihr beide öfter mal zu mir in die Kirche, wenn ihr verheiratet seid«, schlug Fink vor und wurde dann konkret: »Ich habe mich beim Landesbischof rückversichert. So, wie die Dinge stehen, darf und muss ich gewisse Informationen und Einsichten nicht allein mit Gott teilen, sondern auch mit der weltlichen Gerichtsbarkeit.«
»Sie machen mich mehr als neugierig«, sagte Katinka lauernd. »Hat unser Opernmörder Ihnen etwa die Taten gestanden?«
Fink wehrte diese Frage mit befremdetem Ausdruck ab. »Ich habe nicht behauptet, dass ich Ihnen die Arbeit abnehmen kann. Es geht lediglich um einen Hinweis, den ich jedoch für sehr wichtig halte.«
»Dann spannen Sie uns nicht länger auf die Folter«, forderte ihn Katinka auf.
Fink gehorchte. »Eine treue Kirchgängerin vertraute sich mir an. Ich werde ihren Namen nennen, bitte aber darum, diesen für die weiteren Ermittlungen nicht zu verwenden.«
»Das kann ich nicht versprechen«, sagte Katinka offen.
Fink akzeptierte das nach kurzem Überlegen und sprach weiter: »Wie gesagt: Ein Gemeindemitglied, eng mit unserem Glauben verbunden, hatte das Bedürfnis, sich bei mir auszusprechen. Denn es lastete ein schweres Gewicht auf ihren Schultern, hervorgerufen freilich durch eine nicht gerade christliche Tugend: das heimliche Lauschen.«
»Hannes, sag schon, um wen geht es?« Paul wurde ungeduldig.
»Um Paula Dorfner. Ich weiß nicht, ob du sie kennst. Sie ist Maskenbildnerin.«
»Und ob ich sie kenne!«, stieß Paul aus. »Sie trägt dieses riesige Schmuckkreuz auf der Brust, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie wirklich so fromm ist. Das Lauschen traue ich ihr ohne Weiteres zu!«
»Paul!«, zischte ihn Katinka an. »Hör bitte erst mal zu, was der Pfarrer zu sagen hat.«
Bevor dieser fortfuhr, trank er sein Bier in einem Zug aus, tauchte zum Atemholen schließlich wieder auf, mit einem sahneweißen Schnurrbart, den er mit dem Ärmel abwischte. »Frau Dorfner vertraute sich mir zunächst nur unter der Bedingung an, dass ich ihr Geheimnis unter allen Umständen bewahre. Doch nach mehreren Gesprächen gelang es mir, sie zu überzeugen, ihr Wissen für die polizeilichen Ermittlungen zur Verfügung zu stellen. Sie konnte also einerseits ihre Schuld bei mir abladen, und ich konnte ihr andererseits eine seelsorgerliche Begleitung anbieten.« Fink sah nicht ganz glücklich aus, als er erläuterte: »Bei einer echten Beichte müsste ich unverbrüchlich schweigen, daher nenne ich es lieber Seelsorge. Mit dieser kleinen Trickserei kann auch mein Dienstvorgesetzter leben.«
»Ihre gewissenhafte Abwägung in Ehren, aber können wir bitte zur Sache kommen?«, drängte Katinka.
Fink nickte. »Paula Dorfner wurde also Zeugin eines Gesprächs. Oder vielmehr eines Streits: Beteiligt waren Jürgen Klinger und – die Sopranistin Irena.« Paul und Katinka sahen einander an und warteten auf weitere Details aus dem Munde des Geistlichen: »Klinger sagte ihr anscheinend in aller Deutlichkeit, dass er sie für eine Alkoholikerin hielt und sich ihre Trunksucht negativ auf ihre künstlerischen Leistungen auswirkte. Irena hielt entschieden dagegen. Erst sachlich, später polemisch. Das Ganze uferte aus und gipfelte in Klingers Androhung, Irena aus dem Ensemble zu feuern. Für eine Frau wie sie – im Abschwung ihrer Karriere – hätte ein solcher Schritt das künstlerische Aus bedeutet.«
»Paula Dorfner
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