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Das Phantom im Schokoladen-Museum

Das Phantom im Schokoladen-Museum

Titel: Das Phantom im Schokoladen-Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Aber sie entzog ihn dem Blick des Banditen.
    „Du musst in der Reihe
bleiben“, sagte die Frau hinter Klößchen.
    Weil er zur Seite gewichen war,
stand sie jetzt auf gleicher Höhe mit ihm.
    „Ich hab’s mir überlegt und
gehe doch lieber ins Kino“, erwiderte er gedämpft.
    „Das ist kein guter
Entschluss.“
    „Doch, doch. Ich bin Cineast,
begeisterter Kinogänger.“
    „Immer noch besser als die
Glotze“, lächelte die Frau.
    Klößchen blieb hinter der
Säule. Sie war rund und dick.
    Während sich die Schlange
rechts vorbeischob, rückte er Fuß für Fuß nach links weiter.
    Leider hielt der Bandit jetzt
den Mund. Klößchen konnte nur schätzen, wo der Kerl sich befand, und hatte
nicht den Mut, einen Blick zu riskieren.
    Vorn hatte sich die Schlange um
sieben, nein, acht Personen verkürzt. Das hieß, jetzt musste der Typ auf der
anderen Seite der Säule stehen.
    Und richtig! Soeben kam er ins Blickfeld.
    Klößchen sah ihn im Halbprofil
von hinten. Der musste es sein, ein großer hagerer Kerl: etwa 40, mit
gebräuntem Kahlschädel, strohfarbenem Haarkranz und vorspringenden
Backenknochen. Er trug einen modischen Leinenanzug mit Edelknitter und eine Goldkette
am sehnigen Hals. Der Hals erinnerte Klößchen an den eines Truthahns.

    Der Hagere glotzte nach vorn.
Argwöhnisch schien er die Kasse zu beobachten.
    Der hat mich nicht bemerkt,
dachte Klößchen. Aber jetzt, du Saukerl, läutet die Glocke der Vergeltung. Meine
Uhr hast du mir geraubt. Für dich und Tippgen, falls er der Komplize ist,
gibt’s kein Erbarmen.
    Unaufhaltsam kroch die
Menschenschlange vorwärts.
    Klößchen verharrte hinter der
Säule.
    Endlich stand der Hagere an der
Kasse. Er beugte sich zum Sprechfenster, redete, war nicht angetan von dem
Platzangebot, nahm aber doch eine Karte.
    Als er sich umdrehte, zuckte
Klößchen hinter die Säule zurück.
    Der Hagere schob ab, den
sehnigen Truthahnhals gereckt, schritt aus, hielt aber die Arme steif und
angewinkelt am Körper, folgte der Plautzinger Straße, die im Moment wenig
belebt war.
    Auf langen Abschnitten bot sich
keine Deckung. Aber Klößchen verfolgte den Typ.
    Der Kerl schritt zielstrebig,
wackelte jetzt mit den angewinkelten Armen wie ein Sportgeher, schwenkte in
eine Seitenstraße, bog abermals ab: in eine Gasse. Sie wurde auf beiden Seiten
von Gärten bedrängt, hatte kaum genug Platz, eine Gasse zu sein, wäre um
Meterbreite nur ein Fußweg geworden.
    Apfelbäume streckten von links
und rechts ihre Zweige herüber, als wollten sie sich mit Handschlag begrüßen.
    An einer Stelle musste sich der
Hagere unter den Ästen durchbücken.
    Hatte er sich umgeblickt —
eben? Hatte er über die Schulter gelinst?
    Klößchen blieb stehen.
    Nein, der Hagere ging weiter.
    Sein Ziel war das letzte Haus
links am Ende der Witzhold-Straße. Der Hagere verschwand hinter einer Hecke.
    Langsam ging Klößchen näher. Er
äugte. Die Hecke war übermannshoch und dicht wie eine Mauer. Wer dort wohnte,
wollte sich offensichtlich abschirmen — jedenfalls keinem die Möglichkeit
geben, ihm in die Suppe zu spucken.
    Das Tor zur Einfahrt war
geschlossen. Zwei Meter dahinter stand eine Wellblech-Garage. Ebenfalls
geschlossen.
    Das Haus war klein und alt
genug, um Schwamm in den Mauern zu haben. Nichts rührte sich.
    Und nirgendwo ein Namensschild,
dachte Klößchen. Aber ich kriege raus, wer du bist.
    Er lief an der Hecke entlang.
Auf der Rückseite des Grundstücks fand er eine durchlässige Stelle. Er
quetschte sich zwischen die nadeligen Zweige, wand sich durch, stand dann hinter
Büschen und blickte über den verwilderten Garten. Kein Hund schlug an. Nur ein
paar Wespen flogen einen Scheinangriff.
    Geduckt schlich der Schoko-Fan
zur Rückfront des Hauses. Es würde aufschlussreich sein, einen Blick in die
Fenster zu werfen. Aber auf dieser Seite hatte er kein Glück. Vorhänge und
dichte Gardinen verwehrten den Einblick.
    Klößchen pirschte zur Hausecke.
    Heuduft kitzelte ihn in der
Nase. Beinahe hätte er geniest.
    Als er dann um die Ecke bog,
prallte er gegen den Hageren.

    Schreck durchzuckte Klößchen.
Und sofort wurde es schwarz um ihn. Das lag an der Wolldecke, die der Hagere
über ihn warf. Klößchen wurde gepackt. Arme wie Stahlbügel umklammerten ihn. Er
brüllte und zappelte. Aber er konnte nicht entrinnen. Er sah nichts. Ihm war,
als müsse er unter der Decke ersticken. Der Hagere riss ihn hoch und schleppte
das zappelnde, ziemlich schwere Bündel mit sich.
    „Loslassen!“,

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