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Das Phantom von Manhattan - Roman

Titel: Das Phantom von Manhattan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth Wulf Bergner
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hinein spielt er auf der Orgel, die er in seinem Wohnzimmer stehen hat. Ich habe kein Ohr für Musik; sie bedeutet mir nichts, ein nichtssagendes Geräusch. Aber er komponiert dort oben etwas, wahrscheinlich schreibt er
selbst eine Oper. Erst gestern hat er das schnellste Paketboot an der Ostküste gechartert, um den bisher fertiggestellten Teil seines Werks eiligst nach Paris befördern zu lassen. Was soll ich tun?«
    »Das ist alles Narretei, mein Diener, aber verhältnismäßig harmlos. Hat er noch mehr Geld in dieses vermaledeite Opernhaus gesteckt?«
    »Nein, Meister, aber ich mache mir Sorgen um mein Erbe. Er hat mir schon vor langem versprochen, daß ich sein gesamtes Vermögen, seine abermillionen Dollar erben solle, falls ihm etwas zustößt. Jetzt fürchte ich, er könnte anderen Sinnes werden, könnte alles, was er besitzt, einer Stiftung zur Förderung der Oper, von der er wahrhaft besessen ist, vermachen.«
    »Törichter Diener. Du bist sein Adoptivsohn, sein Alleinerbe, sein Nachfolger, der dazu bestimmt ist, sein Imperium zu übernehmen. Hat er dir das nicht versprochen? Oder genauer gesagt: Habe ich dir das nicht versprochen? Und kann ich besiegt werden?«
    »Nein, Meister, du bist allmächtig, der einzig wahre Gott.«
    »Dann beruhige dich. Aber ich will dir noch etwas sagen. Dies ist kein Ratschlag, sondern ein ausdrücklicher Befehl. Solltest du jemals erkennen, daß deinem Erbe eine reale Gefahr droht, beseitigst du diese unerbittlich und unverzüglich. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    »Ja, mein Meister. Und ich danke dir. Ich habe deine Befehle vernommen.«

6
    DIE KOLUMNE VON GAYLORD SPRIGGS
    Musikkritiker der New York Times,
November 1906
     
     
     
     
     
    O pernliebhabern in New York City und auch in der näheren Umgebung unserer großen Metropole habe ich eine frohe Botschaft zu verkünden. Ein Krieg ist ausgebrochen.
    Nein, kein neuer Spanisch-Amerikanischer Krieg, in dem unser Präsident Teddy Roosevelt sich vor einigen Jahren bei San Juan Hill so ausgezeichnet hat, sondern ein Krieg in der Opernwelt unserer Stadt. Und weshalb sollte die Meldung von einem solchen Krieg eine gute Nachricht sein? Weil die Truppen die gegenwärtig besten Stimmen der Welt, die Munition Geld in ungeahnten Mengen und die Begünstigten wir, also alle Opernliebhaber, sein werden.
    Aber lassen Sie mich mit den Worten des Herzkönigs in Alice im Wunderland - und die New Yorker Opernszene beginnt allmählich, mich an Lewis Carrolls vor kurzem erschienene Phantasiegeschichte zu erinnern - mit dem Anfang anfangen. Opernfreunde
werden wissen, daß die Metropolitan Opera im Oktober 1883 mit einer festlichen Premiere von Gounods Faust eröffnet wurde und damit die New Yorker Oper auf Weltniveau brachte - auf eine Stufe mit Covent Garden und der Mailänder Scala.
    Aber warum wurde dieses prächtige Haus mit dem größten Zuschauerraum der Welt, der dreitausendsiebenhundert Opernliebhabern Platz bietet, überhaupt erbaut? Weil die besonders Reichen und Glamourösen des New Yorker Geldadels zutiefst gekränkt darüber waren, daß sie in der nun nicht mehr existierenden alten Academy of Music in der 14 th Street keine Privatlogen mieten konnten.
    Also taten sie sich zusammen, griffen tief in die Tasche und geben sich dem Operngenuß in der Form hin, die die Prominenten auf Mrs. Astors Liste der Four Hundred seit jeher gewöhnt sind. Und welche Genüsse die Met uns seit damals beschert hat und unter der meisterhaften Leitung von Mr. Heinrich Conreid noch heute beschert! Aber habe ich tatsächlich »Krieg« gesagt? Das habe ich. Denn jetzt taucht ein neuer Lochinvar am Horizont auf, um die Met mit einer Phalanx atemberaubender Namen herauszufordern.
    Nach einem früheren, fehlgeschlagenen Versuch, ein eigenes Opernhaus zu eröffnen, hat der Tabakmillionär und Theaterarchitekt Oscar Hammerstein soeben das prächtig ausgestattete Manhattan Opera House in der West 34 th Street fertiggestellt. Gewiß, es ist kleiner, aber luxuriös mit bequemen Sesseln und superber Akustik. Dem, was die Met an Quantität zu bieten hat, setzt es Qualität entgegen. Aber woher
soll diese Qualität kommen? Nun, von keiner Geringeren als Dame Nellie Melba persönlich.
    Ja, dies ist die erste gute Nachricht aus dem Opernkrieg. Dame Nellie, die sich stets standhaft weigerte, den Atlantik zu überqueren, hat sich angekündigt - für eine Gage, die einem die Sprache verschlägt. Einer vertrauenswürdigen Quelle in Paris verdanke ich folgende

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