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Das Phantom von Manhattan - Roman

Titel: Das Phantom von Manhattan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth Wulf Bergner
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Gastfreundschaft unserer großen Stadt genießen können.
    Gestern war die Reihe an der Compagnie Générale Transatlantique aus dem französischen Le Havre, mit der »La Lorraine«, dem Schwesterschiff der ebenso luxuriösen »La Savoie«, ihr Kronjuwel zu entsenden, um es seinen reservierten Liegeplatz am Hudson River einnehmen zu lassen. Zu ihren Passagieren zählte nicht nur die Crème der französischen Gesellschaft, sondern auch eine ganz besondere Persönlichkeit.
    So war es nicht verwunderlich, daß ab dem frühen Morgen, bevor das französische Schiff auch nur die Reede passiert und die Spitze von Battery Point umrundet hatte, zahllose private zwei- und vierrädrige Kutschen die North Canal Street und die Morton Street verstopften, als Schaulustige aus den Herrenhäusern einem Platz zustrebten, von dem aus sie unserer Besucherin nach New Yorker Art zujubeln konnten.
    Und wer war sie? Nun, keine Geringere als Vicomtesse Christine de Chagny, nach Überzeugung vieler die größte Sopranistin der Welt - aber sagen Sie das nicht Dame Nellie Melba, die in zehn Tagen eintreffen soll!
    Die Pier 42 der French Line prangte im bunten Schmuck amerikanischer und französischer Flaggen, als die Sonne durch die Wolken brach und der Nebel sich lichtete, um den Blick auf die »Lorraine«, deren Schlepper sich abmühten, sie mit dem Heck voraus an ihren Liegeplatz zu bugsieren, freizugeben.

    Auf der Pier stand dichtgedrängt eine schaulustige Menge, als die »Lorraine« uns mit einem dreimaligen lauten Tuten ihres Nebelhorns begrüßte und die kleineren Schiffe auf dem Hudson ihren Gruß auf gleiche Weise erwiderten. Am Ende der Pier stand ein mit der Trikolore und Old Glory geschmücktes Podium, auf dem Oberbürgermeister George B. McClellan Mme. de Chagny offiziell in New York begrüßen würde - nur fünf Tage bevor sie in der Eröffnungsvorstellung des neuen Manhattan Opera House den Hauptpart singen wird.
    Unterhalb des Podiums wogte ein Meer aus glänzenden Zylindern und eleganten Damenhüten, als die halbe New Yorker Gesellschaft darauf wartete, einen Blick auf den eintreffenden Star werfen zu können. Auf den benachbarten Piers kletterten Schauermänner und Hafenarbeiter, denen Wörter wie Opernhaus und Sopran bestimmt fremd waren, auf Kräne und Ladebäume, um ihre Neugier zu befriedigen. Schon bevor die »Lorraine« ihre erste Trosse auf die Pier warf, waren alle Bauten entlang des Kais schwarz vor Menschen. Personal der French Line rollte einen langen roten Teppich vom Podest bis zur untersten Stufe der Gangway aus, sobald letztere in Position war.
    Zollbeamte hasteten die Gangway hinauf, um die nötigen Formalitäten für die Diva und ihr Gefolge in der Ruhe ihrer Luxuskabine zu erledigen, während gleichzeitig der Oberbürgermeister mit gebührendem Pomp und Aufsehen, von einem Trupp Blauuniformierter eskortiert, am Ende der Pier eintraf. Er und die Honoratioren von Rathaus und Tammany Hall,
die ihn begleiteten, wurden durch die Menge aufs Podium geleitet, während eine Polizeikapelle »The Star-Spangled Banner« zu spielen begann. Alle Hüte wurden gelüftet, als der Oberbürgermeister und die Stadtväter ihre Plätze einnahmen - mit Blick auf Pier und Gangway.
    Ich selbst hatte den abgetrennten Pressebereich zu ebener Erde gemieden und mir einen Fensterplatz im ersten Stock eines Lagerhauses am Ende der Pier gesichert, von dem aus ich die gesamte Szenerie überblicken konnte, um den Lesern des American um so besser schildern zu können, was sich dort unten abspielte.
    An Bord der »Lorraine« selbst blickten die Passagiere der ersten Klasse von den Oberdecks herab; sie hatten dort oben Plätze mit bester Aussicht, konnten aber nicht von Bord gehen, bis der offizielle Empfang vorüber war. Hinter den Bullaugen der Zwischendecks waren die Gesichter der weniger privilegierten Passagiere zu sehen, die nach oben starrten und zu erkennen versuchten, was auf der Pier vor sich ging.
    Einige Minuten vor zehn Uhr entstand auf der »Lorraine« ein kleiner Menschenauflauf, als der Kapitän und eine Gruppe von Schiffsoffizieren eine einzelne Gestalt zur Gangway geleiteten. Nach herzlicher Verabschiedung von ihren Landsleuten verließ Mme. de Chagny auf der Gangway das Schiff, um erstmals in ihrem Leben amerikanischen Boden zu betreten. Begrüßt wurde sie von Mr. Oscar Hammerstein, dem Impresario sowie Besitzer und Leiter der Manhattan Opera, dessen unbeirrbarer Zielstrebigkeit
es gelungen ist, die Vicomtesse und Dame

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