Das Pharma-Kartell
offensichtlich dem Zweck dient, es Pärchen gemütlich zu machen. Inzwischen hat der Mann mit dem glatten Haar den einen Kognak zu sich hingezogen. Samat reagiert blitzschnell – er fasst zu und schiebt das Glas weiter weg. Die Szene spielt sich unter völligem Schweigen ab.
In der Folge geschieht das, was wir in der Kriminalistik „Identifizierung eines Porträts“ nennen. Ich habe aber nicht erwartet, dass Samat so sachlich sein könnte. Er zieht fünf Aufnahmen von Männern aus der Innentasche und legt sie vor den Spitzgesichtigen hin. Larcheys Foto ist nicht darunter. Der Mann betrachtet sie und schüttelt den Kopf.
Die Szene geht ohne ein Wort weiter. Samat holt ein weiteres Dutzend hervor – alle im gleichen Format, von Männern, en face aufgenommen – und legt sie rasch aus. Der Spitzgesichtige zeigt sofort auf eins von ihnen. Es ist Larchey. Kein Zweifel, er hat ihn gesehen.
„Wo?“, fragt Samat lautlos, nur mit den Lippen. Sein Gegenüber nennt leise einen Namen, den ich nicht kenne.
„Wann?“
„Gegen zwei.“
„Allein?“
„Nein. Ein Franzose. Ich habe ihn nicht gesehen.“
„Wie lange ist er geblieben?“
„Nicht lange. Der Franzose hat drinnen auf ihn gewartet und ist sofort gegangen. Mit ihm.“
„In welche Richtung?“
Der Spitzgesichtige zieht eine schuldbewusste Grimasse. Er hat es nicht gesehen.
„Hast du dich erkundigt?“
Die Grimasse wird noch schuldbewusster.
Samat rafft die Fotos wie ein Kartenspiel zusammen und steht auf. Er legt eine Banknote auf den Tisch und macht mir ein Zeichen zu gehen. Der Spitzgesichtige bleibt bei den beiden Kognaks zurück (die Banknote ist blitzschnell verschwunden, ich habe nicht einmal gesehen, wie!), und wir gehen wieder über die Terrasse, vom Zerberus mit einer Verbeugung verabschiedet.
Diese Episode hat nicht länger als fünfzehn Minuten gedauert, aber draußen ist schon Nacht, feucht und warm… Die kleinen Restaurants sind voller Stimmengewirr, aus der benachbarten großen Straße blitzt der zuckende Widerschein der Werbung herüber, wovon Samats’ Haar nacheinander eine bläuliche, rötliche und gelbe Tönung bekommt.
Samat lehnt sich mit dem Rücken an die Wand und wirft gewohnheitsgemäß einen raschen Blick in die Runde. Die Passanten sind schneller geworden, aber die Straße ist noch immer belebt.
„Das sieht nicht gut aus! Ihr Landsmann versteckt sich in der Altstadt. Aber wir sind wenigstens sicher, dass er lebt… dass er bis zwei Uhr heute Nacht am Leben war. Das ist auch etwas.“
Er ist völlig sicher, dass der Mann Larchey erkannt hat. Ich habe es ja auch mit eigenen Augen gesehen – er hat keinen Augenblick gezögert. Diese Zuträger der Polizei haben ein scharfes Auge.
„Was gedenken Sie zu unternehmen?“
„Ich glaube, nichts. Dass er verschwunden ist, hat sich nicht bestätigt. Sie haben es selbst gesehen. Für ein Verbrechen gibt es keine Anhaltpunkte, zumindest bis jetzt. Und der Umstand, dass sich Doktor Larchey vor seinen französischen Kollegen verborgen hält, ist kein Anlass für Ermittlungen.
Das wissen Sie.“
Ich weiß es. Und es ist mir äußerst unangenehm.
„Wenn Sie aber weitermachen wollen“, fährt Samat fort, „wir haben nichts dagegen. Und Sie können auch auf unsere Hilfe rechnen.“
„Eventuell… auf Ihren Assistenten?“, schlage ich vor. Es ist klar, Samat wird sich wieder seinen operativen Aufgaben zuwenden, aber ich brauche einen Mann. Seine Reaktion ist allerdings sehr merkwürdig.
„Was für einen Assistenten?“, staunt er.
„Im Bistro ist doch einer von Ihren Leuten gewesen. Nach Ihnen.“
Ich erzähle ihm von dem Gespräch mit Madame Molly. Während ich berichte, wird seine Miene immer ernster. „Das ist eine unverschämte Frechheit! Ich habe niemanden hingeschickt! Ich muss herausfinden, wer das war!“
Ganz meiner Meinung. Bloß, wenn das jemand mit Berechnung getan hat, um die Ermittlungen auf sich zu lenken?
Wir erörtern kurz diese Möglichkeit.
„Jemand interessiert sich lebhaft für Ihren Doktor Larchey!“, schließt Samat. „Nur gut, dass für den Augenblick wenigstens noch kein Verbrechen vorliegt.“
„Und wenn doch?“, werfe ich ein. „Wenn sich Anhaltspunkte für Industriespionage ergeben? Ausgeschlossen ist es doch nicht, oder?“
Samat schweigt und reibt sich nachdenklich das Kinn.
„Wir haben das auch überlegt und von Anfang an Maßnahmen getroffen, dass von unserer Seite keine Informationen durchsickern. Aber wenn Sie Grund
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