Das Pharma-Kartell
und kippen vornüber, und die Wellen stürzen sich in Gischtwolken eine nach der anderen auf das steinige Ufer. Jetzt, wo die Menge schweigt, hallt das Dröhnen der Brandung von den Felsen wider.
Van Basten nimmt einen Schluck von seinem Gin und wirft leise hin: „Habe ich Sie eben richtig verstanden, Inspektor? Was für eine Schuld?“
„Sie wollen mir nicht helfen.“
Wieder schweigen wir. Dieses portionsweise Gespräch fällt mir allmählich auf den Wecker. Aber niemand hört uns zu. Poletti erzählt Anja Krüger etwas, sie lacht, die beiden Wahlstroms schauen aufmerksam auf die Kutter. Vom Deck des einen löst sich die kleine Figur eines Menschen. Sie gleitet einfach über die Wellen. Für einen Augenblick taucht sie auf, wir sehen sie, dann saust sie abwärts und verschwindet aus dem Blickfeld. Allmählich wird sie größer und kommt näher. Ein Motorboot fährt seitlich neben der kleinen Figur her.
In Poletti kommt Leben.
„Aufgepasst, meine Herrschaften! Dort, wo sich die Welle bricht!“
Der Mann ist schon ziemlich nah. Das Brett, auf dem er steht, ist nicht zu sehen, aber er ist auf dem Kamm der Welle. Ein fantastischer Anblick! Aufrecht in voller Größe auf dem Wasser stehend, gleitet er mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit dahin. Im nächsten Augenblick bricht die Welle, der Mann schießt vorwärts, die Gischt hüllt ihn ein und verbirgt ihn vor unseren Augen. Ein paar Sekunden vergehen, und ich denke schon, der Mann wird nicht wieder zum Vorschein kommen, doch auf einmal taucht er genau vor der Welle auf, die hinter ihm wie eine grüne Wand in die Höhe wächst. Sie trägt ihn unaufhaltsam vorwärts, hebt ihn hoch, um ihn auf dem steinigen Strand zu zerschmettern. Noch ein bisschen, noch einen Augenblick!
Ich beobachte den Mann und auch van Basten.
Der Mann verschwindet erneut im Wasser, er ist mit einer unmerklichen Bewegung untergetaucht. Die Wasserwand bricht mit blinder Wucht aufs Ufer nieder und zerfließt. Die nächste Welle ist zehn, fünfzehn Meter dahinter. Das genügt. Der Mann taucht aus dem Wasser auf, ein langes Brett unter dem Arm, das er teils trägt, teils nachzieht, und springt geschickt ans Ufer, bevor ihn die nächste Welle erreicht hat.
Die Zuschauer empfangen ihn mit lautem Rufen und Händeklatschen. Poletti erläutert, wie wichtig der Augenblick des Herauskommens ist. Doch auch ohne seine Erklärung ist das alles klar – eine falsche Bewegung, ein kurzes Zögern, und die nächste Welle holt ihr Opfer ein.
„Wunderbar!“, sage ich zu van Basten. „Sehr schön!“ Van Basten verzieht den Mund und wirft wieder so beiläufig wie eben hin: „Sie sagten, ich will Ihnen nicht helfen. Im Gegenteil. Soll ich Ihnen einen Rat geben?“
„Ich bitte darum.“
„Warum sagen Sie Ihren Leuten nicht, sie sollen mich nicht beschatten? Sie verschwenden nur Ihre Zeit.“
Ich bemühe mich, keine Bewegung zu machen, selbst den Blick nicht abzuwenden. Das ist ja merkwürdig. Sollte Samat jemanden geschickt haben? Nicht eben wahrscheinlich.
Vom anderen Kutter startet ein neuer Wettkämpfer. Er gleitet eben so sicher über die Wellen, scheint aber erfahrener, denn er macht mit dem Brett Figuren.
Von der Seite mag es so aussehen, als kommentierten wir beide, van Basten und ich, das Können des Wettkämpfers.
„Nicht, dass es mich sonderlich interessierte“, sagt van Basten, „aber sie machen es derart primitiv, dass sie lästig werden.“
„Gestatten Sie mir“, entgegne ich leise, „Ihnen auch einen Rat zu geben?“
„Selbstverständlich.“
„Mir scheint, der Gin im le Corsaire ist gar nicht so gut.“
Van Basten schaut mich mit halb zugekniffenen Augen an, wie eine Katze. Doch bloß für einen Augenblick. „Welcher Gin?“
„Der im le Corsaire, den Sie gestern getrunken haben.“
„Warum sprechen Sie in Rätseln, lieber Inspektor?“, fragt er mit einem leicht feindseligen Unterton. „Glauben Sie mir, es sind keine Rätsel!“, sage ich. „Der Gin ist schlecht. Einem meiner Bekannten ist er so übel bekommen, dass er auf der Stelle ins Krankenhaus gebracht werden musste.“
Van Basten mag Alkoholiker sein, aber beherrschen kann er sich. Er grinst sogar.
„Sie sind wirklich ein Inspektor mit Fantasie! Wen hat es denn so erwischt, wenn es kein Geheimnis ist?“
„Toby O’Sullivan. Ein Historiker.“
Er hebt die Schultern.
„Kenne ich nicht, falls Sie das herausfinden wollten.“
Und er befasst sich wieder mit seinem Gin. Doch ich blicke nicht auf ihn,
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