Das Pharma-Kartell
gibt es nur eine Methode. Ich drehe mich jäh um, als hätte ich etwas vergessen. Und da macht er einen Fehler, er ist nicht schlau genug. Alle, die mich bis dahin nicht beachtet haben, sehen mich mehr oder weniger neugierig an. Er allein tut das Gegenteil – er wendet sich für eine Sekunde ab.
Der Herr gehört zu einem wohlbekannten Typ. Leider sind solche Leute keine Erfindung, die durch die billigen Filmserien spazieren, es gibt sie wirklich. Eine üble Visage. Breites Gesicht mit glattem, gescheiteltem Haar und Koteletten. Kleine wässrige Augen und ein massiver Unterkiefer. Das ist ein Mensch, der für Töten bezahlt wird und es gewissenhaft tut.
Ich verlangsame meinen Schritt, bis wir auf der Treppe auf gleicher Höhe sind. Nein, mein Gefühl hat mich nicht getäuscht: das ist mein Mann! Er hat inzwischen ebenfalls gemerkt, welchen Fehler er begangen hat, und kommt zu dem Ergebnis, dass er sich nicht mehr zu verbergen braucht. Er mustert mich im Bewusstsein seiner Überlegenheit unverschämt. Anscheinend wägt er ab, ob so eine schwächliche Figur wie ich ihm viel zu schaffen machen wird.
Klarer Fall. Zunächst haben ihn seine Brötchengeber nur beauftragt, mich zu beschatten. Noch ist die Zeit nicht gekommen, wo sie auf mich zeigen werden. Aber diese Zeit könnte kommen. Dann wird er irgendeinen primitiven Trick anwenden, einen von denen, die er schon viele Male erprobt hat und die seine Opfer unvorbereitet getroffen haben. Und wer dann am Leben bleibt – er oder ich -, das wird von den zwei Zehntelsekunden abhängen, die mir zur Verfügung stehen. Ein bisschen sehr wenig, diese zwei Zehntelsekunden.
Er mustert mich, ich erwidere den Blick mit reinem Hass. Vielleicht hätte ich mich zurückhalten, ihm etwas wie Überraschung oder Angst vorspielen sollen, um ihn in Sicherheit zu wiegen, aber ich habe nicht die seelische Kraft, mich zu verstellen. Mag er wenigstens Bescheid wissen!
Er will keinen Zwischenfall riskieren, deshalb geht er, wenn auch langsam, weiter die Treppe hinunter. Hier begeht er den zweiten Fehler, denn ich hefte mich an seine Fersen. So dicht, dass er sich nicht umdrehen kann, sondern weiterlaufen muss, weil der Menschenstrom ihn mitschwemmt. Ein scheußliches Gefühl, ich kenne es. Stufe um Stufe steigen wir, dicht hintereinander, abwärts, und als er schließlich zur Seite treten und sich umdrehen kann, sehe ich, dass wir quitt sind. Jetzt funkelt in seinen wässrigen Augen Hass reinsten Wassers. Er möchte – und wie gern möchte er! – zuschlagen, doch die Angst vor seinen Herren ist größer als der Hass. Und ich trete ihm mit voller Wucht auf den Fuß, einen Augenblick lang setzt mein Verstand aus.
Nein, ich trete ihn nicht, es gelingt mir gerade noch, meinen Fuß woanders hinzusetzen, aber ich höre gleichsam die Knochen unter meinem Absatz knacken. Und er hat auch gemerkt, was ich vorhatte, so viel kriegt er immerhin mit. Auf seinem Gesicht erscheint so etwas wie Staunen. In diesem Augenblick kommt er mir wie eine überraschte Bulldogge vor, die es nicht für möglich hält, dass jemand ihr die Zähne zeigt.
Die anderen warten am Ausgang auf mich: Poletti, Anja Krüger und der Holländer. Die Wahlstroms sind weg. Wie ich erfahre, werden sie jeden Moment wiederkommen, sie sind ihren Gewinn vom Totalisator holen gegangen. „Was haben Sie?“, erkundigt sich Madame Krüger. „Sie sehen so merkwürdig aus.“
Wenn wir genau sein wollen: Sie sieht auch recht merkwürdig aus. Ich weiß bloß nicht, ob es deshalb ist, weil sie O’Sullivans Namen gehört hat.
Ich erkläre ihr, dass es sicherlich von der Hitze kommt und ich mich noch nicht daran gewöhnt habe. Übrigens hat die Hitze bereits spürbar nachgelassen, die Sonne steht schon tief über den Felsen.
Auf dem Basar ist jetzt Hochbetrieb, dies ist die günstigste Zeit – wenn es noch hell genug, aber nicht mehr so schwül ist. Von Zeit zu Zeit weht vom Meer sogar ein Lufthauch herüber.
Die Wahlstroms erscheinen, mit triumphierenden Rufen empfangen. Der Gewinn erweist sich als recht anständig, Frau Wahlstrom verkündet, dass wir ihn unbedingt und auf den letzten Centimes vertrinken werden. Ich weiß nicht, wie sie beschwipst ist, hoffentlich wenigstens ein bisschen natürlicher.
Sie haben noch keine rechte Lust gleich aufzubrechen.
„Tommaso“, schlägt Madame Krüger vor, „schauen wir uns doch ein bisschen um. Zum Nachhausegehen ist es zu früh.“
Der Vorschlag wird angenommen. Ehrlich gestanden, ich habe
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