Das Pharma-Kartell
ich atme erleichtert die Morgenluft ein. Ich bin ganz vom Formalingeruch durchtränkt, ich kann ihn nicht loswerden. Und wie sollte ich auch, solange ich so merkwürdige Pavillons besuche.
Es ist hell geworden. Die Sonne hat sich noch nicht gezeigt, doch das Grün im Garten glänzt in seinen satten Farben.
In den Blättern der Bäume zwitschern unsichtbar Tausende Stimmen. Von Zeit zu Zeit schwillt das Gezwitscher an, und aus einem Baum steigt ein Schwarm grellgelber lärmender Vögel auf. Im Schatten ist es noch kühl. Samat verschließt unsere Funde im Kofferraum und steckt den Schlüssel ein. Jetzt ist der Augenblick gekommen.
„Gehen wir ein Stückchen spazieren, wenn Sie mögen“, schlage ich vor.
Wir schlendern über den Parkweg zu den Bäumen auf der anderen Seite des Pavillons. Hier ist der rechte Ort. Und es bedarf nicht vieler Erklärungen, er begreift sofort aus halben Worten. Ich zähle ihm die Tatsachen auf, spüre jedoch, dass meine anfängliche Sicherheit weggeschmolzen ist, jetzt bin ich schon unschlüssig. Ja, Anja Krüger hat einen Ring derselben Machart getragen. Ja, dieser Mann ist nach dem Surfing den Autos gefolgt, und wahrscheinlich besteht eine Verbindung zwischen ihm und Anja Krüger. Doch die Ähnlichkeit zwischen Fingerring und Krawattennadel kann reine Einbildung sein – als ob ich mich in solchen Fällen nicht schon oft genug getäuscht hätte! Und es kann sein, dass Anja Krüger mit dieser Geschichte nichts zu tun hat.
Samat ist nicht so zurückhaltend, er meint, dass es die Vermutung wert sei, vollends aufgeklärt zu werden. Doch unsere Fakten sind so gut wie keine Fakten, mit ihnen allein geht es nicht. Hier ist Exaktheit vonnöten.
„Das Wichtigste ist jetzt, dass wir feststellen, wer dieser Mann ist.“ Samat nickt zu den Fensterchen des Pavillons hinüber.
„Und wenn möglich, etwas über seine Kontakte! Ich fahre in die Kommandantur zurück, um nachzusehen, was die Einsatztruppe zusammengetragen hat. Kommen Sie auch hin?“
„Sicherlich gegen Mittag. Mich interessiert mehr, was Nadel und Ring miteinander zu tun haben. Ich kehre in die Pension zurück.“
„Wie Sie wünschen. Wenn Sie wollen, fahren wir Sie mit dem Wagen hin. Und gegen Mittag warte ich auf Ihren Anruf, ja? Vielleicht rufe auch ich Sie an.“
Wir gehen wieder um den Pavillon herum, und am Ende der Allee verlangsame ich unwillkürlich den Schritt. Rechts von mir hat ein niedriger Strauch drei, vier riesige Blüten geöffnet, wie jene Blüten bei meiner Ankunft auf dem Flugplatz. Ihre wächserne Blässe ist mit krapproten Tropfen und Tupfen von seltsamen Umrissen gesprenkelt. Ich kann nicht sagen, womit, aber in irgendetwas erinnern sie mich an den femininen Typ mit der Giftnadel.
Der Hügel
Die Pension ist schon erwacht, das Tor steht weit offen, und aus der Küche ertönen Stimmen. Madame Emma gibt Jamila Anweisungen. Die alltägliche Geschäftigkeit hat begonnen. Durch den Garten fliegen riesige Schmetterlinge, auf den Flügeln dunkle Figuren, wie Augen.
Hinter den Bougainvilleas hat Sophie den Jeep geparkt und macht sich an ihm zu schaffen; sie wischt die Morgenfeuchtigkeit von der Frontscheibe. Ich halte mich bei ihr nicht auf, wir wechseln nur einen Gruß. Sophie deutet mit den Augen zu den Balkönchen. Also ist Fabre noch in seinem Zimmer.
Ich eile die Treppe hinauf und komme gerade dazu, wie er sein Zimmer verlässt und die Tür abschließt. Sowie er mich erblickt, blitzt in seinen kurzsichtigen Augen für einen Moment Hoffnung auf. Larchey? Nein, ich habe ihn nicht gefunden; er versteht es, ohne dass ich etwas sage. Und er stellt keine Fragen – es ist klar, dass unsere Absprache betreffs der Aufgabe in Kraft bleibt.
Fabre ist nervös und angespannt wie immer, doch dieses Mal spüre ich, dass da noch etwas ist. Man sieht es ihm an – er hat sich flüchtig rasiert und sieht besorgter aus als gewöhnlich. Und während wir ein paar allgemeine Redensarten wechseln, erfahre ich, dass Lucas Morlet krank ist. Er liegt in der anderen Pension, und Fabre kommt eben von dort zurück. Er will sich nur ein paar Unterlagen holen und zum Dienst gehen.
Es ist mir peinlich, ihn bei all seinen Sorgen mit zusätzlichen Problemen zu belasten, aber es geht nicht anders. Wir steigen die Treppe hinunter, ich passe einen geeigneten Moment ab und frage ihn beiläufig: „Sie sehen doch heute Madame Krüger?“
Er wirft mir durch seine Brille nur einen kurzen Blick zu. „Ja, ich hatte vor, sie… jetzt
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