Das Pharma-Kartell
lassen. Und er hat immer besser begriffen, dass er verloren war. Dass sich niemand für seine Ambitionen interessierte und er in Wahrheit zu einem kleinen Stein im Spiel geworden war, den die Konzerne jeden Augenblick opfern konnten. Es war ein skrupelloses Unterfangen, was Larchey nicht mehr mittragen wollte.
„Wenn du merkst, dass dich niemand braucht“, hat er zu Camille Battour gesagt. Und damit hatte er zweifellos recht. Die einzige Möglichkeit, die ihm blieb – umzukehren und zu gestehen -, hat er sich durch seinen Stolz selbst versperrt. Und die Entscheidung war nahe. Van Basten hatte seine Forderungen kategorisch gestellt und ihm eine Frist gesetzt. Larchey erkannte, dass sein ganzes Leben verpfuscht war und ihm nur noch die Demütigung blieb. Er konnte es mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren. Selbst seine eigene Entdeckung war jetzt ein Trumpf gegen ihn, weil van Basten davon wusste.
An jenem Abend hat er sich alles abermals durch den Kopf gehen lassen. Er hat gesehen, wie allein er war, wie klein und unbedeutend. Diesen Schlag hat er nicht mehr verwinden können. Und fasste seinen Entschluss. Er schrieb diesen Brief und wahrscheinlich noch einen. Den Brief an seine Frau ließ er in einem Umschlag auf dem Schreibtisch zurück und stellte den Kalender darauf, damit er ins Auge fiel. Den anderen Brief hat er mitgenommen. Er wollte ihn auf der Post einwerfen, kam aber zu spät. Er hat ihn nicht eingeworfen, vielleicht hat er ihn bis zum Schluss in der Tasche mit sich herumgetragen. Was mit diesem Brief geworden ist, werden wir wohl kaum erfahren. Damit hat ihn Frau Cellard gesehen, als er wegging.
Dann hat er unten vom Office aus van Basten angerufen. Er hat sich nun wie ein Mann benommen, die Forderungen kategorisch abgelehnt, weil er ja entschlossen war zu sterben. Er ging in die Stadt hinunter am Kai entlang, trank bei Molly einen letzten Kognak. Danach begab er sich zur Anlegestelle, band unbemerkt ein Boot los und fuhr davon. Ein oder zwei Stunden ist er vielleicht gerudert, bis am Horizont auch die letzten Lichter von Al Agadir verschwanden. Er zog einen der Holzpfropfen aus dem Boden, und das Boot begann sich langsam mit Wasser zu füllen.
Van Basten aber hatte das Gespräch aufgeschreckt. Er selbst oder sein Komplize – die Bulldogge – drang in der Nacht in die Pension ein und sah sich in Larcheys Zimmer um. Nahm den Brief an sich. (Übrigens wusste er nicht, was er mit dem Kalender anfangen sollte, und ließ ihn in der Mitte des Schreibtischs stehen – das war Jamila aufgefallen.) Für alle Fälle steckte er alles Papier aus dem Papierkorb ein, weil er nicht wissen konnte, was womöglich darunter war. Auch das Feuerzeug hat er gesehen, aber beschlossen, abzuwarten und van Basten zu fragen. Und van Basten hat richtig vermutet, dass Larchey dieses Feuerzeug von den Santana-Leuten hatte. Schon da entstand in ihm der unbegründete Verdacht, der Brief sei eine Finte, Larchey von seinen Konkurrenten versteckt worden und man bereite einen Schlag gegen ihn vor.
Larcheys Verschwinden hat auch Anja Krüger in Unruhe versetzt. Sie hatte sich auf die Auseinandersetzung mit Marabell von langer Hand vorbereitet, und ihre Auftraggeber schickten ihr die Leute´von Fra Melin – O’Sullivan und den mit der Spinella. Die beiden waren mit allen Hilfsmitteln Fra Melins wohl ausgerüstet, einschließlich eines Sortiments plastischer Masken. Diese können leicht, durch Hinzufügen einiger Kleinigkeiten, eine breite Skala von Gesichtern imitieren. Die beiden verfolgten Larcheys Spuren, wobei O’Sullivan nicht zögerte, sich bei Dolly und Riad als Mitarbeiter der Kommandantur auszugeben.
Da bin ich eingetroffen und habe mit meinen Ermittlungen den Kampf der beiden Kartelle kompliziert. Van Basten beschloss, Larcheys Zimmer noch einmal zu überprüfen, in der Hoffnung, etwas zu finden, das ihm sein Verschwinden erklären konnte. Das war riskant, aber er war auch gut ausgerüstet. Es gibt elektronische Geräte, die Mikrofotoapparate außer Betrieb setzen. Er hat nichts gefunden, aber das Feuerzeug mitgenommen, weil er meinte, es könnte ihm vielleicht zupassekommen. Und weil er Fingerabdrücke von Doktor Larchey besaß, trug er Gummihandschuhe, in die dessen Fingerabdrücke hineinpräpariert waren. Dieser Trick wird in der Industriespionage oft angewendet, um den Konkurrenten zu täuschen. Mir waren gleich Zweifel gekommen, dass sie von Larchey herrühren könnten – die Abdrücke waren allzu augenfällig
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