Das Pharma-Kartell
wohlabgemessene Pause, damit ich das Angebot überdenken und meiner hoffnungslosen Lage gegenüberstellen kann.
„Danach werden Sie in irgendeiner Firma angestellt. Kuwait, Singapur… Einerlei! Wichtig ist, dass es normale Arbeit sein wird, für das andere haben wir unsere Leute.“
In seinen blauen Augen blitzt Spott auf. Diese Anspielung wird der Bulldogge kaum sehr angenehm sein; sie rutscht unruhig hin und her.
„Das Gehalt ist anständig… Nun, nicht gerade glänzend, aber es langt. Sie können was zurücklegen. Denn Pension gibt es bei uns nicht – nur, was man sich verdient.“
Ich höre ihm aufmerksam zu, ich muss Zeit gewinnen.
Inzwischen merke ich, dass ich auch den rechten Arm schon ein bisschen bewegen kann. Dieses seltsame Getränk hilft. Ich setze den Becher an und trinke lange, mit langsamen Schlucken.
„Wollen Sie noch?“, fragt van Basten. „Ich gieße Ihnen ein, wenn Sie möchten. Und jetzt… warum wir das alles machen? Bilden Sie sich ein, dass die Dinge, die Sie uns sagen werden, von großer Bedeutung sind. Das sind Kleinigkeiten. Und wir benötigen sie lediglich für die Verhandlungen mit unserer geschätzten Konkurrenz. Nichts weiter.“
Ich verstehe. Da sind zwei Konzerne, die sich bekämpfen. Larchey ist bloß der Anlass. Doch jetzt sind die Konzernherren zu dem Ergebnis gekommen, dass es sinnlos ist, noch mehr Leute zu verlieren. O’Sullivan und der mit der Spinella reichen. Agenten kosten Geld. Zu diesem Ergebnis sind sie gekommen, können und wollen aber nicht verhandeln, solange sie nicht wissen, was jeder für Trümpfe in der Hand hat. Und ein paar dieser Trümpfe habe ich. „Dies ist in großen Zügen das Angebot“, sagt van Basten. „Es erübrigt sich, Sie davon zu überzeugen, dass Sie keine andere Wahl haben.“
Ich weiß. Ich muss ins Gras beißen. Alles, was er daherredet, ist nichts weiter als gut gespieltes Theater. Van Basten denkt gar nicht daran, dass ich einwilligen könnte, sonst hätte er mit ihren Mitteln und Wegen angefangen. Zwischen uns beiden ist alles klar.
Bis jetzt hat ein Teil meines Bewusstseins noch immer einen Ausweg gesucht und gehofft. Es gibt keinen Ausweg, ich bin ein toter Mann.
Ich begreife, und Angst befällt mich. Wilde, unsinnige Angst, die meinen ganzen Körper, jeden Muskel, jede Zelle in höchste Spannung versetzt. Aufspringen, wegrennen, noch in diesem Augenblick etwas tun, denn im nächsten ist es zu spät. Allein der Gedanke, dass sie mich dann auf der Stelle erschießen, hält mich auf dem Sitz fest.
Dann kommt die klare Überlegung wieder. Ich werde solange wie nur möglich leben. Wenigstens sollen sie nicht die Genugtuung haben, einen Feigling zu sehen.
„Die Fragen?“, sage ich.
„Oh, mein lieber Inspektor!“, ruft van Basten ironisch. „Sie möchten erst mal herausfinden, was ich nicht weiß?“
„Die Fragen!“, wiederhole ich hartnäckig. Seine Herren haben ihm nicht erlaubt, mich umzubringen, bevor er die Fragen gestellt hat.
Er überlegt und schüttelt den Kopf.
„Egal! Das ist jetzt wohl kaum noch von Bedeutung. Gut, hier sind sie. Wo ist Ihr Doktor Larchey, und was hat er für einen Auftrag? Zweitens: Von wem hat er diesen Auftrag erhalten? Von Ihnen, oder…“, er kneift vielsagend die Augen zu, „hat jemand dafür bezahlt?“
Ob jemand dafür bezahlt hat? Van Basten nimmt also an, dass nicht nur Larchey, sondern auch ich im Dienst der anderen stehen kann, der Konkurrenz, die ihm so viele Unannehmlichkeiten bereitet.
„Und versuchen Sie nicht, sich irgendeine Geschichte mit dem Brief aus den Fingern zu saugen!“, fügt er hinzu. „Das hilft Ihnen nichts.“
Larcheys Brief, den ich solange gesucht habe, den hat also er!
„Ich möchte nachdenken“, sage ich.
„Gut.“ Van Basten hebt die Schultern. „Denken Sie nach.“
Dann sieht er auf die Uhr.
„Ich gebe Ihnen zehn Minuten… das reicht. Es sind wichtigere Dinge in kürzerer Zeit entschieden worden.“
Er stützt sich aufs Lenkrad und schaut hinaus. Die Sonne sinkt immer tiefer auf den Hügel, und die langen Schatten kommen langsam auf uns zu. Irgendwo hoch oben fliegt ein Flugzeug vorbei, sicherlich sind wir nicht sehr weit von der Stadt. Aber mich betrifft das nicht mehr. Mich betrifft nichts mehr, weil meine letzten zehn Minuten ablaufen. Ich habe eine merkwürdige Empfindung. Als sei ich gespalten. Ein Teil von mir steht daneben und beobachtet den anderen, der auf dem Sitz sitzt und die unbarmherzigen zehn Minuten abwartet;
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