Das Philadelphia-Komplott
wenn man ein Strandhaus hat”, hatte ihr Vater sich darüber lustig gemacht. “Du entdeckst Cousins, die du bisher nicht einmal gekannt hast. Und alle verspüren auf einmal das dringende Bedürfnis, dich zu besuchen.”
Aber an diesem dunklen, kalten Märzmorgen sah die Insel verlassen und düster aus. Nicht einmal die bunten Zimmer-frei-Schilder am Long Beach Boulevard vermochten den Anblick ein wenig freundlicher erscheinen zu lassen.
“Welches ist euer Haus?”, fragte Jake, als sie auf die Sixteenth Street abbogen.
“Das dreistöckige Gebäude am Ende der Straße, direkt am Strand.”
Wie erwartet war es sehr ruhig, denn die Häuser in der Nachbarschaft waren im Winter unbewohnt. Sogar die neugierige Mrs. Carpenter, die auch in der Nebensaison immer wieder vorbeischaute, um ja nichts vom Inselklatsch zu verpassen, war nirgendwo zu sehen.
Nachdem Jake seinen Wagen auf der Kieseinfahrt geparkt hatte, stieg Syd aus und ging voran zur Tür. Sie stieß die Eingangstür auf und schaltete das Licht ein.
“Wir können genauso gut gleich hier anfangen”, sagte sie und zeigte auf eines der drei Gästezimmer. Auf der Schwelle des kleinen, fröhlich eingerichteten Raumes blieb sie stehen. Auf den beiden Betten waren zu den gelben Überwürfen passende Kissen liebevoll drapiert. “Hier haben Lilly und ich immer geschlafen.”
Über eine Stunde verbrachten sie damit, jeden Raum des Hauses zu durchsuchen, sie ließen auch das Wohnzimmer und das Schlafzimmer der Eltern im oberen Stockwerk nicht aus – aber nichts.
“Tja, so viel zu deiner Theorie.” Syd hatte keine Ahnung, wo sie noch suchen sollten, und ließ ihren Blick ziellos umherschweifen. “Obwohl die Idee gut war – ich dachte, dass wir etwas finden würden.”
“Was ist das da drüben?”, fragte Jake und deutete aus dem Fenster. “Ein Schuppen?”
Sie ging zu ihm hinüber ins Esszimmer und schaute ebenfalls nach draußen. “Nein, das ist mein Spielhaus. Mein Vater hat es Brett für Brett selber gebaut. Lilly und ich haben dort immer …”
Sie beendete den Satz nicht, sondern griff hastig nach der Taschenlampe auf der kleinen Kommode und stürmte die Treppen hinunter. “Wie konnte ich nur so blöd sein”, rief sie, während sie über den Rasen lief. “Lilly und ich haben Stunden in dem Haus verbracht. Wenn sie etwas verstecken wollte, dann wäre das ihre erste Wahl gewesen.” Sie reichte Jake die Taschenlampe. “Hier, halt mal.”
Die kleine Tür hing schon ein wenig schief in den Angeln, ließ sich aber noch öffnen.
Außer einem leicht moderigen Geruch war alles noch so, wie Lilly und sie es vor Jahren verlassen hatten. Das kleine Fenster mit den Gardinen gab den Blick auf den Garten frei, und in der Mitte stand ein kleiner roter Tisch mit zwei passenden Stühlen, von denen die Farbe schon abgeblättert war.
“Sehr viele Verstecke gibt es hier nicht.” Jake ließ den Strahl der Taschenlampe durch den kleinen Raum wandern.
“Ich erinnere mich nur an eines.” Syd schob den Tisch aufgeregt zur Seite und kniete sich auf den Boden. “Als Lilly zwölf wurde, entschlossen wir uns, dieses einmalige Ereignis mit unserer ersten Zigarette zu feiern.” Mit der Hand strich sie suchend über die Dielen. “Eines dieser Bretter ist lose, und darunter hatte Lilly die Packung versteckt.”
“Ich glaube, es ist dieses hier”, setzte sie hinzu als sie eine leichte Ausbuchtung fühlte. Sie versuchte, das Brett zu lösen, aber es saß zu fest.
“Lass mich mal.” Jake kniete sich neben sie, schob seine Finger unter die Diele und zog kräftig daran.
Das morsche Holz gab nach und zerbrach in zwei Teile.
Syd steckte sofort ihre Hand in das Loch und hoffte nur, dass nicht irgendein Tier inzwischen die Höhle in Besitz genommen hatte. Oder noch schlimmer: Dass sie nichts finden würde.
Ihre Zweifel zerschlugen sich in dem Moment, als ihre Finger etwas Kaltes, Glattes berührten. “Jake, ich habe es gefunden!”, wisperte sie aufgeregt.
Jake leuchtete mit der Taschenlampe den Gefrierbeutel an, den sie nun in den Händen hielt. Syd öffnete ihn und holte ein kleines, zusammengerolltes Gästehandtuch heraus.
“Das ist von Lilly”, sagte sie.
“Woher weißt du das?”
“Die gleichen Handtücher hängen bei ihr im Badezimmer.”
Jake berührte das Handtuch. “Es ist weder nass noch dreckig, also muss es erst kürzlich hier hineingelegt worden sein.”
Syd versuchte, ihre Euphorie unter Kontrolle zu halten, als sie das Handtuch
Weitere Kostenlose Bücher