Das Prachtstück
im anderen Körper plötzlich keine Geheimnisse mehr entdeckst und nichts mehr wirklich neu ist. Wenn du immer schon ahnst, was der andere im nächsten Moment gleich sagen oder tun wird. Wenn ihr nach einer schlaffen Nummer nebeneinander im Bett liegt und nur noch fehlt, dass du eine Gesichtsmaske auflegst, weil es ohnehin schon egal ist, und die Haare am liebsten auf Lockenwickler drehen würdest. Oder du dich auf einmal dabei ertappst, wie du mit deinem altgedienten Liebsten vor dem Badezimmerspiegel stehst und in trauter Zweisamkeit mit Zahnseide in deinem Gebiss herumpuhlst.« Sie trank einen Schluck von dem leicht säuerlichen Lassi. Irgendwie war ihr nicht nach Alkoholischem zumute. »Spätestens dann weiÃt du, dass etwas schief gelaufen ist. Etwas, das meistens nicht mehr zu reparieren ist.«
»Klingt ja wirklich beeindruckend, deine Beschreibung eines öden Beziehungsalltags! So richtig schön abschreckend. Aber trifft das denn wirklich auf euch beide zu?«, wandte Lumpi ein. »Ich glaube kaum. Vor ein paar Tagen habe ich angerufen, als du nicht zu Hause warst. Da hat sich dein Lebensgefährte angehört wie frisch verliebt. Schmelzend. Und sehnsuchtsvoll. Beinahe zum Neidischwerden. Ich bekam Lust, mir auf der Stelle âne neue Braut anzuschaffen.«
Sie lachte über seinen Jargon. Dann wurde sie wieder ernst.
»Ich denke, wir hätten eine reelle Chance, Hannes und ich«, sagte sie versonnen. »Vorausgesetzt allerdings, wir denken nicht zuviel an uns selbst, bleiben beide am Ball und geben uns echt Mühe miteinander. Aber dazu muss ich erst wissen, was mit dem anderen los ist. Ob alles nur ein Hirngespinst war. Die groÃe Leidenschaft. Oder nichts anderes als echte Verarschung. Kannst du das verstehen?«
Er wiegte nachdenklich seinen gutmütigen Löwenkopf. Seit er das graublonde Haar länger und wilder trug, hatte er wirklich groÃe Ãhnlichkeit mit den Königen der Steppe. »Ja«, sagte er nach längerem Ãberlegen. »Glaube schon. Eine Art tabula rasa? Als Grundlage eines echten, ehrlichen Neuanfangs?«
Sie nickte. »Wenigstens einer, der mich versteht!« Dann schielte sie auf seinen Teller. Ganz entgegen seines sonstigen Appetits war die Hälfte von seinem Lammfleisch in Mandelsauce unberührt geblieben. »Darf ich noch? Ich habâ heute solchen Hunger, dass ich ein ganzes Pferd mit Haut und Knochen vertilgen könnte.«
»Bitte, bedien dich ganz ungeniert! Muss ja nicht immer ich sein, der frisst, oder?« Er lachte. »Kommen wir nun zu Punkt drei. Was ist mit Linda?«
»So eine dumme Ziege!«, sagte Sofie mit vollem Mund. »Und ganz ohne Vorwarnung! Rettungslos verliebt und damit blind und blöd â wie wir Frauen nun mal sind, wenn wir plötzlich nichts anderes mehr im Hirn haben als einen Kerl!«
»Klingt, als hättest du sie schon abgeschrieben.«
Mit Lumpi zu sprechen, brachte etwas von ihrem alten Elan zurück. »Habe ich natürlich nicht. Aber ordentlich zappeln soll sie! Und einen saftigen Denkzettel hätte sie eigentlich auch verdient. Mir zu unterstellen, ich wäre neidisch auf ihr Glück â die hat doch nicht mehr alle!« »Bist du eifersüchtig, Sofie?«
»Jetzt kommst du auch noch damit an! Bin ich nicht, ehrlich! Aber ich hasse es, wenn jemand versucht, mich für dumm zu verkaufen â egal, ob Männlein oder Weiblein. Liegt wohl an meiner eingebauten Spürnase. SchlieÃlich bin ich ja nicht umsonst Journalistin geworden und habe mühsam gelernt, in anderer Leute Angelegenheiten herumzuschnüffeln, um die Wahrheit ans Licht zu zerren.«
»Na ja, ganz zufällig bin ich ja auch vom Fach.« Seine Augen hatten zu glänzen begonnen. »So ein richtiger, schöner Detektivjob, das ist doch mal etwas ganz anderes als mein langweiliges Ressort mit all den künstlichen Erlebnissen, die ja doch jedem schon zum Hals raushängen. âºFasten und Trommeln in der Toskanaâ¹ oder âºDie endgültig definitive Islandreiseâ¹Â â manchmal bin ich tatsächlich kurz vorm Losbrüllen!« In seiner Begeisterung, es könne plötzlich ganz anders werden, steckte er sich erst einmal eine dicke Havanna an und paffte glücklich vor sich hin. Sofie wedelte den Rauch unwillkürlich in die andere Richtung. »Verfügen Sie ganz nach Belieben über mich, Madame! Wann legen wir
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