Das Prinzip Selbstverantwortung
Kundenorientierung. Machen wir Ernst damit! Stellen wir den Kunden in den Mittelpunkt. Dann entscheidet auch der Kunde, ob er die Ware kauft. Sollten wir seine Wahl nicht ernst nehmen? Wenn er sie nicht kauft, wenn er sie abwählt, ist sie nichts wert. Dann hat sie keine Existenzberechtigung.
Sollten wir Führung nicht in weit höherem Maße wählbar und abwählbar machen? Warum nicht Führung durch die Mitarbeiter wählen lassen? Der billige Zwischenruf, dann würde das Unternehmen ja in einen permanenten Wahlkampf gerissen, übersieht, dass Mitarbeiter genau das täglich tun: Sie wählen!
Mitarbeiter
wählen mit ihrem Engagement. Sie wählen mit ihrer Initiative. Sie
wählen mit ihrem Commitment.
Im Machtspiel zwischen Führungskräften und Mitarbeitern liegt die Macht bei den Mitarbeitern: Es gibt sie ohne Führungskräfte; aber keine Führungskräfte ohne Mitarbeiter. Und wenn ich mir anschaue, wie viel Motivation tagtäglich von Vorgesetzten zerstört wird, die die Wahl bei ihren Mitarbeitern verloren haben, aber mit verbarrikadierten Gesichtern um die Wahrung ihrer Positionsautorität kämpfen, dann darf nicht gezögert werden, für diese Leute andere Aufgaben im Unternehmen zu finden.
Abermals Einspruch! Die Führungskräfte schleimen sich doch dann nur noch an, um wieder gewählt zu werden. Einspruch abgelehnt. Wenn die Mitarbeiter am Unternehmensergebnis beteiligt werden, werden sie nicht den bequemsten, sondern den besten Chef wählen.
Für eine stärkere Kundenorientierung der Führung ist es wichtig, neben dem Karriereanker »Mitarbeiterführung« weitere Karriereanker gleichwertig zu institutionalisieren. Ebenso muss die Entscheidung, jemanden zur Führungskraft zu machen, ohne |161| Gesichtsverlust für alle Beteiligten revidierbar sein. Probezeiten und zeitlich begrenzte Führungsaufgaben sind dazu Möglichkeiten. Die Zeiten für solche Flexibilisierung stehen nicht schlecht: Immer mehr Menschen verzichten gern auf die mit der Mitarbeiterführung verbundenen Problemstellungen (»Da muss ich mich nicht dauernd mit den Leuten rumschlagen!«), wenn ihnen in einer Fach- oder Expertenlaufbahn Orden und Ehrenzeichen erhalten bleiben.
Die ideale Führungskraft
Seit Jahrzehnten ist man nun auf der Suche nach dem »idealen« Manager, baut Bibliotheken an Persönlichkeitsvoraussetzungen zusammen – und verkennt völlig, dass Führungskräfte in ihrem Wirkungsgrad von etwas ganz anderem abhängig sind: der Wahl der Mitarbeiter. Auch ich habe mich lange an der Diskussion über die Eigenschaften einer idealen Führungskraft beteiligt. Was sie alles sein und können muss; wahre Heldenbilder … jedenfalls kann ein Normalsterblicher diese Anforderungsprofile in nur einem Leben kaum erfüllen. Muss er auch nicht. Er muss – und das ist zunächst einmal unabhängig von den destillierten Kriterien – von den Mitarbeitern akzeptiert, sprich: gewählt werden.
Ein Beispiel dafür aus einem anderen Praxisbereich. Ich beriet ein mittelständisches Unternehmen bei einem Auswahlverfahren für Außendienstmitarbeiter. Zwölf Mitarbeiter sollten eingestellt werden. Die Suche nach den geeigneten Selektionskriterien eskalierte fast zum Glaubenskampf. Ich versuchte einen letzten gemeinsamen Punkt zu finden, an dem wir ansetzen konnten: »Das wichtigste scheint mir, dass unser neuer Mitarbeiter beim Kunden eine Beziehung aufbauen kann.« Und, alles Lehrbuchwissen über Bord werfend, fügte ich hinzu: »Lasst uns die ganzen Kriterien vergessen und einfach prüfen, ob der Bewerber
ankommt
.« Das wirkliche Leben abbildend, suchten wir im eigenen Haus sieben sehr unterschiedliche Interviewer – vom Bereichsleiter bis zum Pförtner – und luden die Bewerber zu jeweils einstündigen Gesprächen. Ohne jede Vorgabe von Beurteilungskriterien. |162| Wir baten die Interviewer nur um ein »Ja« oder »Nein« – abermals ohne Angabe von Gründen. Wir baten um Aus-»Wahl«. Bei 6:1 Jastimmen war der Bewerber eingestellt. Ich will offen gestehen, dass ich das Ganze damals für einen Husarenritt hielt. Aber zu meiner Ernüchterung kann ich heute, nach drei Jahren, sagen: Dieses Unternehmen hat in seiner über 40jährigen Geschichte niemals ein erfolgreicheres Auswahlverfahren durchgeführt: Bis auf eine Mitarbeiterin, die das Unternehmen noch in der Probezeit verließ, waren alle übrigen elf neuen Mitarbeiter Volltreffer.
»Please the Customer!« – Das gilt auch für Führungskräfte. Auch die Führungskraft muss ankommen. Oder,
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