Das Prinzip Terz
elegante Antwort, die er von dieser Frau nicht erwartet hätte. Vielleicht war es dieses eigenartige Oszillieren zwischen ordinär und distinguiert, das ihren Mann an ihr reizte. Neben ihrem Äußeren natürlich. Terz verkniff sich die Erklärung, dass er mit seiner Geliebten über alles sprach, da sie zugleich seine Frau war.
»Haben Sie vielleicht trotzdem eine Idee, wer ihn umgebracht haben könnte?«
»Vielleicht fragen Sie einmal Ihre Frau. Die scheint über Wins Liebesleben ja außergewöhnlich gut unterrichtet zu sein. Die beiden spielten doch gelegentlich miteinander … Golf?« Offenbar ahnte sie, woher seine Informationen stammten.
»Hoffen Sie lieber, dass ich nicht Ihren Mann frage.«
Amelie Kantau begriff, dass ihre Attacke ein Fehler gewesen war. Auf einmal wirkte sie müde.
»Ich schwöre, dass ich nichts damit zu tun habe. Wie starb er? Ihre Kollegen wollten nichts sagen.«
Immerhin fragte sie.
»Das kann ich auch nicht.«
Im Büro braute er sich einen Espresso und dachte über seine Gespräche nach. Kantau war undurchsichtig und Hansen fast zu keck. Beide hatten kein Alibi, doch er hielt sie nicht für Mörderinnen. Obwohl seine nachmittägliche Sekunden-Schlafzeit anstand, spürte er keinerlei Müdigkeit. Vielleicht sollte er einmal Herrn Kantau einen Besuch abstatten. Zuerst aber musste er ein Versäumnis nachholen. Bisher hatte niemand die Namen von Sorius’ Geschlechtspartnern durch den Computer geschickt. Er war beim zweiten, als die Tür aufgerissen wurde und Sammi hereinstürmte.
»Wir haben sie!«
»Wen?«
»Die Mörderin von Sorius.«
Hinter ihm betrat Maria Lund den Raum. Terz stand auf und reichte ihr wie einer Fremden die Hand. »Hauptkommissar Terz. Wurden Sie über Ihre Rechte aufgeklärt?«
Lund sah ihn verwirrt an, dann begriff sie und lachte.
Sammi wedelte mit einem Papier durch die Luft. »Ich glaube, das solltest du dir einmal ansehen.«
Terz streckte die Hand aus, doch statt ihm den Zettel zu geben, begann Sammi zu erzählen:
»Das fand dieser von Hollfelden heute Vormittag in der Agentur, gerade als wir da waren. Er hatte in Sorius’ Computer Unterlagen gesucht. Dabei entdeckte er einen Brief, den Sorius offenbar vor ein paar Tagen geschrieben hat.«
Sammis bemüht dramatische Schilderung nervte Terz. Noch mehr nervte ihn der Computer von Sorius. Dass sie ihn nicht sofort untersucht hatten. Heute fand man Hinweise, Indizien und Beweise häufig nicht mehr in Schubladen. »Komm zur Sache.«
Sammi strahlte triumphierend. »Es war Jule Hansens Entlassung. Sorius wollte seine Kreativdirektorin nicht zur Partnerin machen. Er wollte sie feuern!«
Terz riss Sammi das Papier aus der Hand und las. In knappen Worten erklärte Winfried Sorius das Arbeitsverhältnis mit Jule Hansen unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen per Monatsletztem für beendet. Der Brief trug das Datum 11. Juni. Letzter Freitag, drei Tage vor dem Mord. Er gab Sammi den Ausdruck zurück.
»Wissen wir, ob er ihn auch abgeschickt hat? Und ob sie ihn erhielt?«
Sammi steckte das Papier ein und antwortete nicht.
»Hansen behauptet, diesen Brief nie gesehen zu haben«, erklärte Lund.
»Das Beste ist«, ignorierte Sammi den Einwand und stach mit dem Zeigefinger in die Luft, »sie kann Karate.«
»Ich weiß«, erwiderte Terz.
»Ich stelle mir das so vor. Sie will Partnerin werden, das hat von Hollfelden dir erzählt. Sorius stellt es sogar in Aussicht, aber in Wirklichkeit will er nicht teilen. Immerhin ist die Agentur sein Lebenswerk. Hansen hat sich über Jahre krumm gemacht für ihn. Endlich soll es so weit sein. Doch statt des erhofften Geldsegens und Ansehens kommt der Schock. Sorius wirft sie raus. Einfach so.« Er schnippte mit dem Finger. »Es kommt zum Streit. Sie kann Karate. Sie dachte, es würde wie Herzversagen aussehen. Selbst Krahne war sich ja zuerst nicht sicher. Pech für Hansen, dass wir eine fähige Medizinerin haben.«
»Hast du den Computer von Sorius mitgenommen?«
Sammi starrte ihn an wie ein Junge, den man mit den Fingern im Süßigkeitentopf erwischt hatte.
»Hast du wenigstens eine Kopie von der Festplatte machen lassen?« Die geeignete Gelegenheit, seine eigene Nachlässigkeit auf Sammi abzuwälzen. Und dem fiel das nicht einmal auf.
Lund sprang ein: »Ich kümmere mich sofort darum.«
»Und ich höre mir noch mal Frau Hansen an.«
Jule Hansen saß in dem kleinen Verhörraum wie im Wartezimmer des Zahnarztes vor der Wurzelbehandlung. Als Terz eintrat, sprang
Weitere Kostenlose Bücher