Das Prinzip Terz
Einsiedler gefrönt. Sein Faible für gut geschnittene Anzüge, maßgefertigte Schuhe und ein gepflegtes Auftreten wurzelte dagegen vielleicht in einer gewissen – sehr dezenten – Eitelkeit.
Eine ausführliche Liste zählte noch einmal die Papiere aus Sorius’ Arbeitszimmer auf, hauptsächlich Entwürfe für den anstehenden Wahlkampf des Bürgermeisters. In den Dokumentenmappen fanden sich die üblichen Urkunden, aber keine Unterlagen zu Unterhaltszahlungen eines bislang unbekannten Kindes oder andere Geheimnisse, die den Kreis möglicher Verdächtiger erweitert hätten.
Vielleicht war es Zeit, sich noch einmal mit Frau Hansen über einen gewissen Streit zu unterhalten.
Der Alsterlauf, vor nicht viel mehr als hundertfünfzig Jahren ein Bach im Sumpfgebiet nördlich der Stadt, gehört heute zu Hamburgs nobelsten Adressen. Wo reiche Kaufleute und Senatoren ihre Villen in das trockengelegte Gebiet gebaut hatten, residierten nun vermögende Privatleute, Firmen und Konsulate. Im Sommer paddelten die Hamburger durch die Kanäle und träumten beim Blick durch herabhängende Weidenzweige davon, auch einmal hier zu wohnen.
Terz parkte den Wagen in der Einfahrt des Hauses im Tudorstil.
Als auf sein Klingeln niemand reagierte, öffnete er die Gartentür und versuchte es am Haustor. Niemand öffnete, doch er hörte Stimmen hinter dem Haus.
Über einen schmalen Pfad gelangte er am Gebäude vorbei in den Garten. Dort fand er ein gepflegtes Idyll. Deckchairs ruhten verstreut unter alten Bäumen, das Wasser blitzte zwischen Blättern, die in der Sonne flirrten, am Ufer wartete ein Kanu, die ehemalige Gärtnerlaube war zu einem Atelier ausgebaut.
Das Bild wurde von einer Filmcrew zerstört. Scheinwerfer, Schirme und Kameras drängten sich um einen Frühstückstisch, an dem eine falsche Familie von Models tafelte. Jule Hansen gab einem langhaarigen Mann Anweisungen, als sie Terz entdeckte. In Freizeitkleidung wirkte sie noch zierlicher als im schwarzen Anzug.
»Das ist ja eine Überraschung. Was treibt Sie her?« Ihr schiefer Blick versuchte den Grund seines Kommens abzuschätzen.
»Schön haben Sie es hier.«
»Eine Freundin hat das alles von ihrer Großmutter geerbt. Das Haupthaus, Garten, das Gartenhäuschen. Die alte Dame malte früher hier. Ich wohne darin zu einem Freundschaftspreis. Und zur Aufbesserung ihrer Haushaltskasse vermietet meine Freundin manchmal an Filmteams. Wollen Sie etwas essen? Da drüben ist das Catering. Was trinken? Kaffee?«
Mit Antipasti und Orangensaft ausgerüstet schlenderten sie zum Wasser, wo die Filmleute nicht jedes Wort übertönten.
»Sie sind nicht wegen des Buffets hier«, sagte Hansen.
»Wofür drehen Sie?«
»Margarine. Aber deshalb sind Sie auch nicht gekommen.«
»Wie war Ihr Verhältnis zu Winfried Sorius?«
»Hatten wir das nicht schon? Es war gut. Hätte er mich sonst zur Partnerin gemacht?«
»Noch sind Sie es nicht.«
Ihre Hand wedelte ungeduldig durch die Luft.
»Sie haben sich also immer gut verstanden?«
Eine Elster landete hinter Hansen im Gras und hüpfte über das Grün. Hansens Lippen kräuselten sich, bis ein spöttisches Lächeln das Gesicht überzog. So hatte sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Elena.
»Ach, hat uns wohl jemand gehört, was? Meine Kollegen, o, là, là!« Die Flügel ihrer markanten Nase vibrierten, als nehme sie eine Witterung auf. Roch sie Gefahr? »Ich muss Sie aber enttäuschen. Wir stritten nur über eine Kampagne. Er mochte meine Entwürfe nicht.«
»Hatten Sie privaten Kontakt zu ihm?«
»Ich hatte in den letzten Jahren kaum Privatleben. Meier kann Ihnen da wahrscheinlich mehr erzählen.«
»Meier?«
»Sein Partner.«
»Ich dachte, das ist Herr von Hollfelden.«
Ihr Lachen ließ die Elster auffliegen. »Eine lustige Geschichte: Eines Tages lerne ich auf einer Party einen Typ kennen, von Beishof, glaube ich. Sie wissen schon, die Sorte alter Kleinadel, die noch heute eine – so nie vorhanden gewesene – Tradition hochzuhalten vorgibt. Ich erzähle ihm, dass ich in der Werbung arbeite. Er hat auch einen Cousin, dem eine Agentur gehört, sagt er. Meier. Das ist ja nun nicht gerade ein seltener Name. Ich kenne die Branche. Ein Meier als Agenturbesitzer fällt mir nicht ein. Aber alle kenne ich ja nun auch nicht. Ich nenne ein paar Agenturnamen. Nein, er glaubt nicht, dass die seines Cousins so heißt. Wo ich eigentlich arbeite? Ich sage Sorius & Partner. Ja, und da fährt er hoch und ruft: ›Aber das ist sie ja! Sorius &
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