Das Prinzip Terz
steuerte sie behutsam in die Wohnung. Das Fass hatte sie bereits vergessen. Und wenig später lenkte sie auch seine Sinne ganz davon ab.
10
Mit regelmäßigen Bewegungen zogen sie die Ruder durch das Wasser, der schmale Körper des Bootes schoss über den grünblauen See im Herz der erwachenden Stadt. Die anstrengende Bewegung und die Geräusche des Wassers erforderten Konzentration, erlaubten keine langen Gespräche. Nur zwischendurch konnte Terz kurze Fragen stellen.
Als Sanierer überblickte Anton Locht die Hamburger Geschäftswelt ganz gut. Er kannte einige der Unternehmen und deren Leiter, für die Sorius & Partner gearbeitet hatte.
»Allerdings hatte mich noch keines nötig.«
»Kennst du Walter Kantau?«
»Treffe ich ab und zu. Sag bloß, er ist in die Sache verwickelt.«
»Ist er nicht«, wiegelte Terz ab. »Aber falls du etwas hörst – selbstverständlich USV !« Unter dem Siegel der Verschwiegenheit, die absolut verbindliche Abkürzung aus Studententagen, als es dabei üblicherweise um Frauen gegangen war.
Der Speditionskaufmann Christian Levebvre kannte Sorius’ Geschäftspartner von Hollfelden. »Wenn auch nur flüchtig und von früher, als er noch für den heutigen Bürgermeister arbeitete. Ein geschickter Geschäftsmann, schon damals.«
Der Anwalt Hinnerk Fest kannte keinen der Beteiligten. Aber wie die anderen beiden auch versprach er Terz mitzuteilen, was ihm zu Ohren käme. Dann brauchten sie ihren Atem wieder zum Rudern. Zum Abschied präsentierte Levebvre ihm zwei Strafmandate. Terz steckte sie kommentarlos ein. Kleine Gefälligkeiten.
Nachdem er die Kinder zur Schule gebracht hatte, kehrte er zur Wohnung zurück und parkte den Range Rover vor dem Haus. Die Terrasse lag noch im Schatten. Ob ihn jetzt jemand beobachtete? Der Erpresser musste wissen, was Terz mit dem toten Sandel tat. Ohne Leiche keine Erpressung.
Er rollte das Fass durch die Wohnung zum Lift. Trotz der behelfsmäßigen Abdeckung verbreitete Sandel in der engen Kabine Verwesungsgeruch. Hoffentlich wollte jetzt niemand zusteigen.
Nervzerreißend langsam sank die Kabine Stockwerk um Stockwerk in die Tiefe. Auf jeder Etage sah Terz in das leere Treppenhaus. Im zweiten Stock erwiderte eine ältere Dame seinen Blick, wollte den Lift aber nicht anhalten.
Mit einem metallischen Geräusch hielt er im Erdgeschoss. Terz versicherte sich, dass im Treppenhaus niemand war. Rasch rollte er das Fass bis zur Eingangstür. Stufe für Stufe ließ er es in den Vorgarten hinab. Wie oft hatte er sich Gespött anhören müssen, weil er als Großstädter einen Geländewagen fuhr. Schade, dass er niemandem von dem Nutzen des Wagens erzählen konnte. Aus den Augenwinkeln prüfte er die Umgebung. Sein Erpresser hielt sich versteckt, wenn er überhaupt da war.
Aus zwei Holzbrettern von einer nahen Baustelle baute er eine Rampe zur Ladefläche. Das Fass ließ sich einfacher hinaufrollen, als er erwartet hatte.
Über die Eppendorfer Landstraße fuhr er nordwärts, den Rückspiegel im Blick. Eppendorfer Marktplatz, zweimal links, auf den Ring Zwei. Rechts rein, Richtung Uniklinik, Martinistraße links. Fast seit Fahrtbeginn hatte ein schwarzer Alfa Spider mit geschlossenem Verdeck dieselbe Route. Terz bog in die Löwenstraße, zurück auf den Ring Zwei. Der schwarze Alfa folgte, hielt Abstand.
Die Straße Richtung Altona war relativ frei. Mal sehen, was sein Verfolger sich traute. Trotz Linksabbiegeverbots bog Terz mit dem Range Rover auf die Gegenfahrbahn und fuhr zurück. An einer Tankstelle hielt er. Der Sportwagen tat es ihm gleich und wartete hinter der Waschanlage. Beim Verlassen der Tankstelle notierte Terz das Kennzeichen seines Verfolgers im Kopf. Das Gesicht des Fahrers konnte er nicht erkennen.
Der Range Rover war Terz’ Privatwagen, doch für Notfälle lag ein Blaulicht unter dem Armaturenbrett. Er hob es auf das Dach – Blaulicht, Sirene, Gaspedal. Die nächsten Ampeln nahm er bei Rot. Bog scharf rechts ab. Gleich die nächste links, Blinken und Martinshorn aus, wieder rechts und noch einmal links. Und tschüs. Kein Alfa mehr.
Er schob Johnnie Taylor in den CD -Schlitz. Die funkigen Rhythmen drehten seine angespannte Stimmung ins Schwungvolle. Eine Viertelstunde später kaufte er an einer Tankstelle einen Kanister Benzin. Nach weiteren zehn Minuten war er auf der Autobahn Richtung Berlin. Johnnie Taylor schlug ruhigere Töne an. Bei einer der nächsten Ausfahrten fuhr er ab. Von der Landstraße bog er in einen Waldweg und
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