Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Prinzip Terz

Das Prinzip Terz

Titel: Das Prinzip Terz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Rafelsberger
Vom Netzwerk:
Sein Körper fühlte sich an wie der eines Fremden. Er war nur mehr Automat. Ein Hirn, das Prothesen bewegte.
    Was wurde jetzt von ihm erwartet? Dass er wütend aufbegehrte. Er versuchte sich zu befreien. Formsache. Mit nur einer Hand hielt Scaffo ihn unter Kontrolle.
    Mit der anderen gab er Terz sein Handy zurück. »Sag dem Anwalt, er soll die Papiere mit einem Boten zu dir nach Hause schicken. Jetzt. Und denk an den Lieferwagen.« Er ließ Terz’ rechte Hand los. »Wir machen das natürlich über die Freisprechanlage.« Sie hielten vor einer Ampel am Eimsbütteler Marktplatz.
    Terz schob das Telefon in die Halterung und wählte Hinnerk Fests Nummer. Laut schallte das Freizeichen durch den Wagen.
    Der Anwalt hob ab.
    Seine Stimme war belegt. »Die Papiere, die ich dir heute Morgen gegeben habe, hast du sie in der Kanzlei?«
    Fest bejahte.
    »Entwarnung. Schick sie mir bitte. Mit einem Boten zu uns nach Hause. Du weißt, Jungfrauenthal. Am besten gleich.«
    »Aber, was, so plötzlich«, stotterte Fest. Scaffo verdrehte Terz’ festgehaltene Hand und flüsterte: »Auflegen.«
    »Danke, Hinnerk«, presste Terz hervor und beendete die Verbindung.
    »Und jetzt deine Komplizen«, forderte Scaffo.
    Wie wollten sie das organisieren? Wenn sie nicht alle Beteiligten möglichst gleichzeitig mundtot machten, würden die anderen Verdacht schöpfen. Ein Massaker. Dazu brauchte man eine kleine Kompanie. Die zwei Männer im Lieferwagen zeigten, dass es Ressourcen gab. Wie viele noch?
    »Sag, dass du heute Abend noch einmal alle brauchst«, befahl Ramscheidt. »Unbedingt. Sie sollen sich bei einer Kontaktperson treffen. Es geht um Leben und Tod.« Er prustete über seinen vermeintlichen Witz.
    »Mach schon!«, befahl Scaffo und drehte neuerlich Terz’ Arm.
    Terz konnte ein gequältes Aufstöhnen nicht verhindern. Er wählte die Nummer seiner Mutter. Nach dem dritten Ton meldete sie sich.
    Er wiederholte Ramscheidts Forderung.
    »Wie stellst du dir das vor?«, schimpfte Berthe Terz los. »Glaubst du, die haben nichts Besseres zu tun?« Das war jetzt peinlich.
    »Mutter, es ist wichtig. Ich verlasse mich auf dich.«
    Scaffo flüsterte: »Sie soll anrufen, wenn sie alle beisammenhat.«
    »Ruf an, wenn alle zugesagt haben!«, rief Terz durch das Auto. »Danke.« Ende des Gesprächs.
    »Fabelhafte Improvisation«, lobte Ramscheidt. »Deine Mutter also. Gib die Adresse. Für heute Abend.«
    Terz nannte Straße und Hausnummer in Ahrensburg. Bis seine Mutter die anderen zusammenhatte, würde ihr nichts geschehen.
    »Wer hat euch in der Agentur geholfen?« Scaffo klang, als frage er einen Passanten nach dem Weg. Gleichzeitig spürte Terz, wie der kleine Finger seiner linken Hand überstreckt wurde.
    Konrad Terz hatte ein ambivalentes Verhältnis zu Schmerz. Beim Rudern oder Laufen konnte er sich quälen, bis er glaubte, die Muskeln rissen oder die Lunge platzte. Dagegen hasste er Zahnarztbesuche oder Spritzen. Selbst zugefügter Schmerz war etwas ganz anderes als fremdverschuldeter. Ein von Scaffo abgedrehter Kleinfinger war nicht selbstbestimmt. Außerdem brauchte er intakte Hände.
    »Jule Hansen.«
    Zehn Minuten später waren sie im Jungfrauenthal. Zwischen den Schatten der Baumkronen tanzten Lichtpunkte auf der Straße. Das Spätnachmittagslicht zeichnete harte Konturen. Terz konnte Sammis Leute nirgendwo sehen.
    Ramscheidt hielt vor dem Haus. »Wir zwei gehen hinauf.«
    Scaffo fuhr mit dem Wagen weiter, während Terz mit seinem Begleiter das Gebäude betrat. Im Hausflur begegnete ihnen niemand. Sie nahmen den Lift.
    Zum Glück hatten sie die Kinder zu Julie gebracht. Terz ging vor, die Treppen zu seinem Arbeitszimmer hoch. Aus dem Bücherregal zog er eine schmale Mappe und reichte sie Ramscheidt.
    Zufrieden öffnete der das Kuvert mit der Aufschrift »Im Falle meines Todes öffnen«. Aufmerksam studierte er die Kopien, dann steckte er sie wieder zurück. »Schalte den Computer an und starte das Textverarbeitungsprogramm.«
    Während das System mit leisem Summen hochfuhr, suchte Ramscheidts Blick das Bücherregal ab. Terz startete Word.
    »Okay, jetzt ich. Setz dich da hin.« Er zeigte auf die Lücke zwischen Tisch und Wand. »Schneidersitz. Hände auf den Kopf.«
    Ramscheidt setzte sich und begann zu tippen. Mit seinen Handschuhen würde er keine Abdrücke hinterlassen. Aber auch die von Terz verwischen.
    Sein Gesicht war das Einzige, was Terz oberhalb der Tischplatte sah. Alle Spannung darin schien in Ramscheidts Nasenwurzel zu

Weitere Kostenlose Bücher