Das Prinzip Uli Hoeneß
eingeordneten Fälle genauer betrachtet werden, um ein wirklich gerechtes Urteil zu fällen. Oft waren Verletzungen oder Krankheiten schuld, dass ein Spieler die erwartete Leistung nicht erbringen konnte, und dies ist weder dem Spieler selbst noch dem Manager Hoeneß als Schuld zuzuschreiben. So bewies etwa der Innenverteidiger Valérien Ismael eine Saison lang seine Qualitäten, bevor ihn ein Waden- und Schienbeinbruch, den er im August 2006 im Training erlitt, aus der Bahn warf. Er war sicherlich kein Fehleinkauf, genauso wenig wie der häufig verletzte und psychisch labile Sebastian Deisler. Niemand konnte damit rechnen, dass das einst als Hoffnungsträger des deutschen Fußballs hochgejazzte Talent im Januar 2007 krankheitsbedingt seinen Rücktritt erklären würde.
Eine durchwachsene Transferbilanz
Trotz der großen Zahl ausgemusterter Spieler – die hier keineswegs mit einem Anspruch auf Vollständigkeit aufgeführt sind – gab Hoeneß nur in sehr wenigen Fällen einmal zu, daneben gelegen zu haben. »Fehleinkäufe hat es bei uns in den letzten 20 Jahren praktisch nicht gegeben«, behauptete er in einem Interview mit dem Magazin »Sports« im Jahr 1990 äußerst kess, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als sich die ganze Liga gerade über den »internationalen Stürmerstar« Radmilo Mihajlovic lustig machte. Seine Begründung: »Fehleinkäufe sind für mich Spieler, bei denen man so schiefliegt, dass man, wenn man sie wieder abgibt, einen riesigen finanziellen Verlust hat.«
Einkaufs/Verkaufs-Bilanzen sind freilich nicht immer so leicht zu beurteilen, denn Ablösesummen sind eine komplexe Angelegenheit. Von den Vereinen werden kursierende Summen meist nicht eindeutig bestätigt, außerdem kann es sein, dass die Beträge an Bedingungen gekoppelt sind, dass etwa bei Erfolgen Nachschläge fällig werden oder bei einem Weiterverkauf des Spielers der vorherige Verein an der dann fälligen Ablösesumme beteiligt werden muss. Schon vor dem Bosman-Urteil waren Vergleiche problematisch, seitdem sind sie noch schwieriger, da viele Spieler bei auslaufenden Verträgen ablösefrei zu haben sind und das eigentliche – und eben alles andere als unerhebliche – Geld dann über Gehalt, Handgelder und Prämien fließt. Dennoch geben die veröffentlichten Summen wohl zumindest annähernd genau eine Grundorientierung zur Einschätzung von Transfergewinnen und Transferverlusten.
Hoeneß forsche Behauptung, dass er selbst bei sportlich enttäuschenden Spielern meist Gewinne erzielt habe – und diese deshalb unter wirtschaftlichem Aspekt dennoch nicht als Fehleinkauf gebucht werden müssen –, lässt sich in manchem Fall belegen. Pablo Thiam? Kein Fehleinkauf: Der Mittelfeldspieler hatte keine Ablöse gekostet und erbrachte bei seinem Weggang nach Wolfsburg 1 Mio. Euro Transfergewinn. Jan Schlaudraff? Kein Fehleinkauf: Er bescherte den Bayern mit seinem Wechsel nach Hannover ein Transfer-Plus von etwa 800.000 Euro. Selbst im Falle Mihajlovic machte Hoeneß noch Profit. Der war für 1,9 Mio. DM von Dinamo Zagreb gekommen und konnte trotz mäßiger Leistungen für satte 3 Mio. DM weitervermittelt werden. »Ja, da haben wir einen ziemlich Ahnungslosen gefunden«, konnte es der Bayern-Manager noch Jahre später kaum fassen. »So einer kommt ja jedes Jahr nur einmal durchs Isartor, der hieß in dem Fall Eichberg (damaliger Schalke-Präsident, Anm. d. A.). Goldtaler sind heruntergeregnet. Allerdings, man muss auch da stehen, wenn er kommt. Und wir standen da.«
Wesentlich leichter als solche märchenhaften Sterntalerchen-Erfolge wie im Fall Mihajlovic/Eichberg lassen sich natürlich, Hoeneß’ Behauptung zum Trotz, Belege für Transferverluste durch sportlich gescheiterte Spieler finden. Mazinho kam für 3,6 Mio. DM aus Brasilien und war, als er wieder in seine Heimat zurückkehrte, nur noch 1 Mio. DM wert. Für Adolfo Valencia hatte Hoeneß 5 Mio. DM bezahlen müssen, am Ende war er froh, dass er von Atlético Madrid noch 3 Mio. DM für den »Entlauber« bekam. Für Jean-Pierre Papin mussten 6 Mio. DM an den AC Mailand überwiesen werden, und als er die Bayern in Richtung Girondins Bordeaux verließ, floss noch 1 Mio. zurück. Für Ruggiero Rizzitelli wollte der FC Turin 4,5 Mio. DM Ablöse, doch als er zum FC Piacenza abgegeben wurde, kostete er gar nichts mehr. Niko Kovac wurde für 5,5 Mio. vom HSV geholt, um ablösefrei zu Hertha BSC zu wechseln. Zu einem happigen Verlust führte schließlich auch die
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