Das Prinzip Uli Hoeneß
sich notgedrungen mit einem Käfer-Cabriolet begnügen – und neidisch zugucken, wie Hoeneß seinerseits mit einem 911er auf dem Trainingsgelände vorfuhr. Der schüchtern vorgebrachte Hinweis, dass Hoeneß selbst sich seinen Porsche ja auch schon als junger Spieler angeschafft habe, focht den Manager nicht an. Er habe ihn sich schließlich nicht mit 19 gekauft, sondern erst mit 21, und außerdem sei er da schon Europameister gewesen. »Ich hab’ dem Wiggerl gesagt, wenn er weiterhin gut spielt und gut verdient, dann hab’ ich nichts dagegen, wenn er sich in zwei, drei Jahren einen gebrauchten kauft.«
Sich einordnen, sich unterordnen, sich bescheiden – das war es, was der Pädagoge Uli Hoeneß gerne von frischen Profis sah, und oft hat er sich gewünscht, wie weiland Sepp Herberger seine Spieler mit strenger Hand führen zu können. Doch selbst solche Interventionen wie die im Falle Kögl waren nur eine Generation später schon nicht mehr vorstellbar. Im Laufe seiner Managerjahre musste Hoeneß mehr und mehr feststellen, dass das Respektsverhältnis zwischen den Oberen und den Spielern immer weniger dem glich, wie es einst gewesen war. Als er während der Saison 2003/04 öffentlich die Fitness des Führungsspielers Michael Ballack in Frage gestellt und dieser mit der Bemerkung zurückgefeuert hatte, der Manager liege »in der Wortwahl gehörig daneben«, blieb ihm nur ein resignatives Achselzucken: »Das ist die neue Generation, die Widerworte muss man sich heute gefallen lassen.«
Gefallen lassen musste sich Hoeneß darüber hinaus, dass er von manchem Spieler nicht mehr so richtig ernst genommen wurde, wenn er von den alten Zeiten erzählte und antiquierte Auffassungen referierte. »Ja, ja«, lautete dann etwa die von Schmunzeln begleitete Reaktion des Nationalspielers Jens Jeremies: »Früher waren die Fische sooo groß, die ihr geangelt habt.« Ein »Jerry« Jeremies durfte sich so was freilich erlauben, zählte der doch zu jenen immer rarer gewordenen, aber eben noch nicht ganz ausgestorbenen hungrigen und leistungswilligen Spielern, die ganz seinem Geschmack entsprachen. Die seltenen Exemplare dieser Art lobte er immer ganz besonders, am häufigsten wohl Hasan »Brazzo« Salihamidzic, den Inbegriff des unermüdlich ackernden Kampfschweins.
Eine geradezu explosionsartige Vermehrung der Verwöhnprofis hatte nach Hoeneß’ Auffassung das Bosman-Urteil vom Dezember 1995 bewirkt, nach dem die bis dahin üblichen Ablösesummen abgeschafft werden mussten. Die Spieler stellten nun, was allein schon schlimm genug war, in der Bilanz keine Aktiva mehr dar; noch folgenreicher aber war die sich aus dem Urteil ergebende Nötigung, Spieler, die man halten wollte, mit langfristigen und deutlich höher dotierten Verträgen ausstatten zu müssen. Selbst durchschnittliche Spieler konnten nun Millionen verdienen. Das Urteil, meinte Hoeneß grimmig, sei ein »Sechser im Lotto« für minderbemittelte Mitläufer gewesen: Sie erhielten nicht nur mehr Geld, sondern könnten sich auch noch jahrelang auf diesem überhöhten Lohnniveau ausruhen. Kaum etwas konnte Uli Hoeneß so erregen wie solche satte Mittelmäßigkeit. Irgendwann, befürchtete er, würden sich auf dem Platz nur noch vermeintliche Stars tummeln, und es würde keiner mehr da sein, der sich quälen will, kein Spielertyp wie der ehemalige Mönchengladbacher Herbert Wimmer, der als fleißiges Helferlein des Regisseurs Günter Netzer den Begriff des »Wasserträgers« im Fußball berühmt gemacht hatte. »Wir haben einen Wimmer bei uns in der Mannschaft, den Christian Nerlinger«, erläuterte Hoeneß im April 1997 dem »Spiegel«. »Der Unterschied ist nur: Der Wimmer hat damals 100.000 Mark verdient, und unser Nerlinger hat jüngst unser Angebot, das bei weit über einer Million liegt, mit der Bemerkung abgelehnt, ob man ihn aus München vertreiben möchte.« Im Prinzip freilich war Nerlinger eigentlich genau ein Spieler von dem Typus, den Hoeneß gerne mochte und nach dem er manchmal ganz gezielt suchte. Die beiden Karlsruher Mittelfeldspieler Tarnat und Fink etwa verpflichtete er ganz bewusst deswegen, weil er in ihnen bescheidene Anti-Stars vermutete, die jederzeit zu selbstloser Drecksarbeit bereit sein würden. Den in Zeiten des Showsports herrschenden Trend, der Fußballmannschaften in Ansammlungen überbezahlter und egozentrischer Stars verwandelte, vermochten solche punktuellen Gegenmaßnahmen – selbst wenn sie gelangen – natürlich nicht
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