Das Prinzip Uli Hoeneß
»je häufiger er erklärte, warum er von seinem Vorwurf der Arroganz nicht abrücke, desto mehr schwoll seine Stimme. Und er verabschiedete sich letztlich von den Fragern mit hochrotem Kopf und dem weithin hörbaren Satz: ›Das möcht’ ich sehen, wenn der hier noch mal pfeift.‹« Tatsächlich beantragte der FC Bayern beim DFB, Krug nicht mehr für seine Spiele einzuteilen. In seiner Attacke sei »eine über Jahre aufgestaute Abneigung gegen diesen Mann« zum Ausdruck gekommen, rechtfertigte sich Hoeneß, aber im Grunde genommen habe es sich nur um eine Äußerung aus der »Abteilung Wahrheit« gehandelt. »Ich habe Herrn Krug nicht persönlich beleidigt, sondern ein Statement abgegeben, wie ich ihn einschätze.« Der DFB knickte zwar insofern ein, als er Krug lange Zeit nicht mehr für Begegnungen des FC Bayern ansetzte, verdonnerte aber zugleich Hoeneß wegen unsportlichen Verhaltens zu einer Geldbuße von 7.500 DM. Der verweigerte die Zahlung, spendete demonstrativ genau diese Summe für wohltätige Zwecke und stellte sich stur. Erst einige Wochen später, als Beckenbauer das Geld stillschweigend vom Vereinskonto überwiesen hatte, beruhigte er sich allmählich in Anbetracht der breiten Kritik, die über ihn hereingeprasselt war.
Vorübergehend verzichtete Uli Hoeneß auf deftige Schiedsrichterattacken, doch erwartungsgemäß hielt die Kampfesunlust nicht allzu lange an. Im April 2001 beschuldigte der Gerechtigkeitsfanatiker des FC Bayern nach einem 1:1-Unentschieden bei Borussia Dortmund den FIFA-Referee Hartmut Strampe, gegen seine Spieler, die lediglich mit »internationaler Härte« aufgetreten seien, viel zu hart durchgegriffen zu haben. »Ich glaube, dass es nicht richtig wäre, Herrn Strampe gleich wieder mit wichtigen Spielen zu betreuen«, forderte Hoeneß eine Art »Denkpause« für Strampe. »Er war in Dortmund von A bis Z nicht in der Lage, das Spiel zu kontrollieren.« Strampe hatte sich zwar wirklich als passionierter Kartenspieler gezeigt – einmal Rot (Effenberg), einmal Gelb-Rot (Lizarazu) und acht (!) weitere Gelbe Karten gegen Bayern-Spieler –, doch die Bayern hatten sich an diesem Tag auch als giftige Tretertruppe gezeigt, der zudem noch Glück widerfahren war, als Strampe einen regulären und einen zumindest umstrittenen Dortmund-Treffer wegen angeblicher Abseitsstellung nicht gegeben hatte.
Bliebe noch diejenige Gruppe von Fußballfachleuten zu erwähnen, die Hoeneß’ herablassend-geringschätzige Zurechtweisungen besonders häufig und oft ganz besonders extrem zu spüren bekam: Journalisten und Reporter. »Im Fußballgeschäft gibt es heutzutage nur noch Weiß und Schwarz«, kritisierte er die grundsätzliche Schieflage in der Berichterstattung; und in geradezu irrwitziger Verkennung seines eigenen Hanges zur zugespitzten Vereinfachung behauptete er, dass er selbst hingegen stets versuche, »auch die Grautöne zu erhalten«. Mit größter Verachtung strafte er vor allem die Vertreter der schreibenden Zunft. Seiner Auffassung nach waren die nur auf skandalträchtige Geschichten und eben nicht auf die Wahrheit aus und würden eben deswegen seine, die Hoeneß’sche Wahrheit, so oft ignorieren. Es mache ihn »auf Dauer mürbe«, meinte er einmal, wenn die Berichterstatter unentwegt nur darauf aus seien, Kritisches und Negatives über den FC Bayern in die Welt zu setzen. Besonders wütend machte ihn die Wetterwendigkeit der Schreiberlinge, dieses pausenlose, extreme Hin und Her zwischen Hochjubeln und Niederknüppeln. Als die Bayern-Mannschaft in der Hinrunde der Bundesligasaison 2002/03 innerhalb von vier Wochen vom entzückenden »Weißen Ballett« in eine Schande für den Fußball umgeschrieben wurde, konnte er nur noch den Kopf schütteln. Solcher Wankelmut sei doch nicht mehr normal, beschwerte er sich, das könne doch niemand mehr ernst nehmen.
Besonders schnippisch wurde Uli Hoeneß immer dann, wenn die Bayern trotz erfolgreichen Spiels bekrittelt wurden. In solchen Fällen lautete die spitze Standardbemerkung: »Ich habe keine Lust, mich zu rechtfertigen für Siege!« Spielten die Bayern unentschieden, war es auch nicht ungefährlich, wie die Hoeneß-Replik auf einen Vorhalt des DSF-Reporters Jörg Dahlmann im November 2006 deutlich machte. Nach einem matten 2:2 der Bayern in Gelsenkirchen hatte der sich anzumerken getraut, der FC Bayern früherer Tage hätte Schalke klar besiegt; kaum war der Satz heraus, bebte die Erde regelrecht, als die »Abteilung Attacke« zum
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