Das Prinzip Uli Hoeneß
hatte gar verächtlich vom »Cup der Verlierer« gesprochen. Hoeneß gab diesmal die Parole aus: »Wenn jeder an die Grenze geht, sind wir in Europa von wenigen zu schlagen.« In der neuen Mannschaft, die der nach München zurückgekehrte Giovanni Trapattoni zusammenstellen durfte, waren neben Torwart Oliver Kahn weiterhin Jürgen Klinsmann und Lothar Matthäus die Platzhirsche, dazu kamen als Neue das »Enfant terrible« Mario Basler und der angebliche Spitzenstürmer Ruggiero Rizzitelli. Obwohl Trapattoni am Ende der turbulenten Saison 1996/97 der Griff nach dem Titel gelang, herrschte eine gemischte Stimmung; begeisternder Fußball war ausgeblieben, und statt spielerischer Triumphe hatten allerlei Animositäten die Schlagzeilen beherrscht. Der von Matthäus unentwegt gepiesackte Klinsmann verabschiedete sich als beleidigte Diva, als neuer Publikumsliebling kam der Brasilianer Giovane Elber, viel ruhiger wurde es aber nicht. Denn nun sorgte Trainer Trapattoni mit heftigen Spielerschelten für Unruhe, die umso lauter wurden, je mehr er über die leeren Bayern-Flaschen auf dem Platz verzweifelte.
Uli Hoeneß konnte darüber nicht lachen und wies jede Kritik an seiner Verpflichtungspolitik zurück, während der von dem in München geschassten Otto Rehhagel trainierte Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern ernsthaft auf den Meistertitel schielte. »Mit einem Titel für Lautern können wir leben«, kommentierte Hoeneß großherzig. »Werden sie zweimal Meister, dann wäre es eine mittlere Katastrophe für uns.« Im Augenblick, fügte er hinzu, habe sich der FC Bayern nichts vorzuwerfen. Der Klub sei ein absoluter Weltverein, er habe den größten Trainer aller Zeiten, und er bleibe in Deutschland allemal unerreicht. Der »Spiegel« zeigte sich irritiert ob dieses Versuches, jede Kritik vorauseilend mit einem Sperrfeuer aus Superlativen zuzudecken. Es dränge sich der Eindruck auf, so das Blatt, als müsse sich Hoeneß »selbst versichern, dass nichts Erfolgsentscheidendes unterblieb«. Nun: Jedenfalls der Erfolg blieb erst mal aus, Kaiserslautern wurde Meister mit zwei Punkten Vorsprung auf die Bayern, und »der größte Trainer aller Zeiten« war fertig mit den Nerven.
Zwischen Extremen
Mit dem Abgang Trapattonis, der zum Abschied nach einem matten 2:1-Finalsieg gegen den MSV Duisburg immerhin noch den DFB-Pokal mitnehmen durfte, endete eine unruhige Phase der Bayern-Geschichte. Hoeneß musste einsehen, dass es mit »Namen« alleine nicht ging, wenn die Positionen auf dem Feld nicht nach sportlich-taktischen Kriterien besetzt wurden. Und er forderte nun von dem aus Dortmund abgeworbenen Erfolgstrainer Ottmar Hitzfeld für die Saison 1998/99 das Maximum, nämlich einen erfolgreichen und zugleich unterhaltsamen Fußball. Der Trainer bewies ein gutes Händchen bei Neuverpflichtungen, zähmte den nach München zurückgekehrten Stinkefinger Stefan »Cheffe« Effenberg und fuhr gleich in seinem ersten Jahr den ersten (Meister-)Titel ein. In der Champions League, wo man im Vorjahr ausgerechnet am deutschen Rivalen Borussia Dortmund schon im Viertelfinale gescheitert war, lief es ebenfalls gut. Diesmal schaltete man den deutschen Gegner aus, der im Viertelfinale wartete – es war der 1. FC Kaiserslautern –, und kam dann über Dynamo Kiew ins Finale gegen Manchester United am 25. Mai 1999 in Barcelona.
Bis zur 90. Minute führte die Hitzfeld-Elf durch einen Basler-Treffer mit 1:0, dann erfolgte durch zwei Treffer in der Nachspielzeit der urplötzliche K.o. »Manchester United reached the promised land!«, brüllte der englische Kommentator – und Uli Hoeneß, der den Fuß schon auf der Schwelle zum erträumten Paradies der Wunscherfüllung hatte, war erneut die Tür vor der Nase zugeschlagen worden. Die Niederlage von 1982 war bitter gewesen, die von 1987 noch bitterer, aber am bittersten war sicher diese. Torwart Oliver Kahn, den eigentlich nichts umwerfen konnte, sprach von der »Mutter aller Niederlagen« und verfiel in eine wochenlange Depression, während der er seinen Job nicht mehr verrichten konnte. Uli Hoeneß musste tief durchatmen, ganz tief, und überlegen. Was war diesmal schuld am Scheitern? ManU galt in dieser Zeit als der reichste Verein – aber konnte das wirklich ein Beleg sein für die These, dass Geld mehr Tore schießt? Gut, der superteure Superstar David Beckham hatte die beiden entscheidenden Eckbälle hereingezirkelt – aber mit Sheringham und Solskjaer hatten zwei Spieler des gehobenen, aber
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