Das Prinzip Uli Hoeneß
geworden und haben im ersten Halbjahr 50 oder 60 Millionen Miese.« Ja, es war schon einfach toll und phänomenal – nur: Wie sollte man jetzt Teil zwei des Triumph-Auftrags lösen, nämlich den maximalen Erfolg auf Dauer stellen?
Der frischgebackene Champions-League-Sieger blieb für die Saison 2001/02 seinen althergebrachten Prinzipien ein weiteres Mal treu. Für Niko Kovac (5,9 Mio. Euro), Robert Kovac (7,7 Mio. Euro) und Claudio Pizarro (8,2 Millionen Euro) investierte der Verein Beträge, die für Bundesligaverhältnisse schon nicht mehr spektakulär waren, nach internationalen Maßstäben erst recht nicht. Die Kritiker mochten mäkeln wie sie wollten – Uli Hoeneß schien in seinem Trophäenschrank nun den Beweis dafür zu besitzen, dass der Erfolg auch ohne angebliche Superstars möglich ist. Möglich war er, das stimmte. Aber eben nicht zwangsläufig. So folgte denn dem glorreichen Annus mirabilis von 2001 zunächst ein trophäenloses Jahr 2002 mit dem negativen Höhepunkt einer peinlichen 1:2-Niederlage beim Absteiger FC St. Pauli, dessen Fans hernach T-Shirts mit der Aufschrift »Weltpokalsiegerbesieger« bedrucken ließen.
In der Spielzeit 2002/03 antworteten die Bayern mit neuen Trikots, die so blütenweiß waren wie die der legendären »Königlichen« aus Madrid. Tatsächlich entzückten die mit frischen Stars wie Ballack und Zé Roberto bestückten Bayern zunächst beinahe so wie einst Real, und das von den Medien zum »weißen Ballett« geadelte Team war mit dem erneuten Gewinn des »Doubles« sogar erfolgreich. »Mit der Meisterschaft war es eine gute Saison«, resümierte Uli Hoeneß. »Mit dem Pokalsieg eine sehr gute Saison. Das Double ist gut, aber wir müssen es nicht noch schöner reden. Wir haben bewiesen, dass wir die dominante Mannschaft in Deutschland sind, aber das kann nicht das Maß aller Dinge sein. Wir müssen sehen, dass wir wieder international länger tanzen.«
Denn da haperte es: 2001/02 war man im Viertelfinale an den »galaktischen« Real-Superstars um Zidane und Figo gescheitert, und im Jahr darauf havarierte man bereits in der Gruppenphase, obwohl Hoeneß sich da von der Idee des »weißen Balletts« bereits wieder verabschiedet hatte. Der Name habe ihm von der Idee her gut gefallen, meinte er, aber: »Fußball ist kein Ballett.« Die Auswirkungen seien fatal. »Seit dieser Begriff geboren wurde, versuchen die Spieler, nur noch Kunst zu produzieren. Im Spiel gegen Cottbus hat Giovane Elber noch in der letzten Minute versucht, den Ball über den Torwart zu lupfen. Diese Idee vom Schönspielen hat sich im Unterbewusstsein festgesetzt, und das bringt überhaupt nichts.« Die Losung müsse dagegen lauten: »Rennen, rennen, rennen.« In der Champions League brachten die Bayern freilich weder das eine noch das andere zustande, sie tanzten nicht, sie rannten nicht, und sie wurden sieglos Letzter in der Vorrunden-Gruppe G.
Vom Anspruch des erfolgreichen und zugleich schönen Spiels wollte der von den ästhetischen Vorstellungen des »Kaisers« Franz Beckenbauer angesteckte Hoeneß trotz all seiner kritischen Anmerkungen auch im Sommer 2003 nicht ganz lassen. Zugleich zeigte er wie gehabt keinerlei Verständnis für überzogene Forderungen an das Einkaufsverhalten des FC Bayern, obgleich er für den Torjäger Roy Makaay eine neue Bayern-Rekordablöse von 19,75 Mio. Euro an Deportivo La Coruna transferierte. »Da waren wir im Grenzbereich«, kommentierte er, weitere Verpflichtungen dieser Größenordnung seien vollkommen undenkbar. Wieder reichten die Möglichkeiten des Kaders nicht zur Erfüllung des überzogenen Anspruchs, statt einer feuerwerkenden Künstlertruppe präsentierte sich ein Ensemble im Zustand der permanenten Schaffenskrise. In der Bundesliga stolperten die Bayern Werder Bremen hinterher, im Viertelfinale des DFB-Pokals gab es ein erschütterndes »Aus« beim Zweitligisten Alemannia Aachen. Vor dem anstehenden Achtelfinale im Europapokal gegen Real Madrid analysierte der »Spiegel«, dass sich der FC Bayern inzwischen mit sportlich uneinholbaren Größen messe. »Hoeneß’ Behauptung vom letzten Frühjahr, die Münchner seien die Einzigen, vor denen ›Real Madrid wirklich Angst hat‹, wirkt angesichts der mühseligen internationalen Bayern-Auftritte im vergangenen Herbst ziemlich drollig. Und als Hoeneß nach der armseligen Darbietung bei Celtic Glasgow (0:0) drohte, nun müsse sich die Konkurrenz ›warm anziehen‹, gab sich der Manager der Lächerlichkeit
Weitere Kostenlose Bücher