Das Prinzip Uli Hoeneß
ehrlich mit mir meinen – okay. Wenn nicht, werde ich aufhören.« Grundsätzlich fühle er sich durch so eine »Verstärkung« nicht eingeschränkt, meinte er voller Contenance. »Mir persönlich ist es scheißegal, ob es heißt, Hoeneß hat einen Spieler geholt, oder Beckenbauer, Rummenigge und Hoeneß haben ihn geholt.« Gerne gebe er etwas von seinen Kompetenzen ab. »Ich bin nicht solch ein Machtmensch, wie die Leute glauben.«
Trotz dieser positiven Stellungnahmen wirkte Hoeneß erstmals in seiner Managerkarriere ratlos und seines Amtes müde. Er zog sich aus der Öffentlichkeit in den Schmollwinkel zurück und überließ dem Medienprofi Beckenbauer das Feld. Als sich der »Kaiser« über die verfehlte Transferpolitik in der Vergangenheit ausließ und offen kritisierte, dass in den letzten Jahren zu viel Qualität ohne entsprechenden Ersatz zu schnell verkauft worden sei, schien es so, als sei der Manager bereits entmachtet. Während Schatzmeister Hegerich, Hoeneß’ alter Gegenspieler, gönnerisch verkündete, der Manager habe eine Chance verdient, seine Arbeit weiter so zu machen wie bisher, ergründete der eben diese Chance in einem klärenden Gespräch mit den beiden Vizes und Trainer Lerby. Weder Hegerich noch Präsident Scherer, zu dieser Zeit im Krankenstand, wussten von der Zusammenkunft der »Viererbande«. Anschließend brach der gewiefte Taktiker Hoeneß sein tagelanges Schweigen ausgerechnet weitab von München, nämlich im »Kölner Stadt-Anzeiger«, und benannte den seiner Meinung nach Hauptschuldigen an der Führungsmisere der Bayern. Der Präsident, ließ er verlauten, sei ein Störfaktor: »Das Problem liegt darin, dass Scherer am Tag fünf Stunden da ist.« Und: »Man hat lange Zeit versucht, meine Macht einzuschränken. Das ist auch gelungen. Das Ergebnis haben wir jetzt.« Wie später deutlich werden sollte, war dieses Interview der erste taktische Schlag innerhalb der groß angelegten Strategie, den Initiator seiner Entmachtung, eben Fritz Scherer, selbst ins Abseits zu manövrieren.
Diesem ersten Angriff auf seinen alten Gegner folgten mehrere Interviews, in denen Hoeneß den öffentlichen Schulterschluss mit Beckenbauer und Rummenigge vollzog. Er gab sich nun überzeugt, dass beide »großen Wert« auf seine Arbeit legten und mit ihm »sehr konstruktiv und aufrichtig« zusammenarbeiten wollten. Alle Zweifel seien damit ausgeräumt. »Wenn ich dieses Gefühl nicht hätte, dass es gut läuft, dann hätte ich aufgehört.« So aber sei nun alles in Ordnung: »Die Entscheidungen werden von nun an von mehreren kompetenten Leuten getragen. Ich mache nichts anderes als bisher.« Wenig später schob er nach: »Leute wie Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge hätten dem FC Bayern auch gut zu Gesicht gestanden, als es noch gut lief.« Das Geschäft sei so vielschichtig, dass man jede Expertenhilfe gut gebrauchen könne. Ungewohnt selbstkritisch bekannte er: »In der Krise war der FC Bayern nicht souverän und hat zu hektisch reagiert. Mit Rummenigge und Beckenbauer haben wir jetzt Männer mit breitem Kreuz und Kompetenz. Wir sind im Transferbereich sicher verbesserungsfähig.«
So einvernehmlich, wie es diese Äußerungen suggerierten, verlief die Zusammenarbeit zunächst freilich nicht. Rummenigge forderte ohne Umschweife ein Ende des von Hoeneß verordneten Sparkurses und nachhaltige Investitionen in Spieler, Beckenbauer befleißigte sich sogleich einer aggressiven Wortwahl und ließ keinen Zweifel, wen er für den Hauptverantwortlichen der Krise hielt. »Auch ein Hoeneß macht Fehler«, meinte er. Nun seien kompetente Leute da, die ihm sagen könnten, »was er verkehrt machte«. Dass nun plötzlich mehrere Stimmen für die Bayern sprachen, führte in der Folge immer wieder zu Irritationen. Während Beckenbauer das Bayern-Team nach stümperhaften Leistungen als »Schülermannschaft« abqualifizierte, gerierte sich Hoeneß als Anwalt der Profis: »Man kann jetzt die Mannschaft nicht niedermachen und erwarten, dass sie dann am Samstag gute Leistungen bringt.« Und während Rummenigge der Presse sagte, dass für die Verpflichtung von Andreas Brehme eine Million bereit liege, meinte der darauf angesprochene Hoeneß beleidigt: »Das kommentiere ich nicht. Fragen Sie doch Rummenigge.« Mit beinahe kindlich erscheinendem Trotz verweigerte er für eine Weile das Mitspielen im Führungsteam der Bayern und verkündete zugleich treuherzig, dass er sich von den Vizepräsidenten keineswegs an die
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