Das Programm
verantwortlich war, hatte er einen Komplizen. Einen gefährlichen Komplizen. Sobald Chris zur Polizei ging, wusste der Komplize, dass Chris seine Warnung in den Wind geschlagen hatte. Wenn die Poli zei dann nicht sehr schnell handelte – was angesichts der Beweislage sehr unwahrscheinlich war –, konnte das für ihn, Chris, leicht das Todesurteil bedeuten.
»Wir könnten mit Ian sprechen«, schlug er vor.
»Wäre das nicht ein bisschen gefährlich?« meinte Megan. »Was ist, wenn er Alex und Lenka tatsächlich umgebracht hat? Dann könnte er uns auch umbringen. Die ganze Sache macht mir allmählich Angst, Chris.«
»Er kann uns nicht alle umbringen«, sagte Chris. »Ich könnte mit ihm reden und ihm sagen, dass du sofort zur Polizei gehst, wenn er irgendwelche Dummheiten versucht. Jemanden unter diesen Umständen in England umzubringen, wäre sehr dumm. Und Ian ist nicht dumm.«
»Ich weiß nicht. Ich finde es trotzdem gefährlich.« Zweifel und Furcht standen Megan ins Gesicht geschrieben, als sie Chris hilfesuchend anblickte.
»Unsinn«, sagte Chris und versuchte, möglichst überzeugend zu klingen. Er wusste natürlich, dass Megan Recht hatte: Es war gefährlich. Aber zumindest war die Initiative dann auf ihrer Seite. Das war wahrscheinlich weniger gefährlich, als wenn Ian sie beide ausschalten konnte, wann es ihm beliebte.
»Was willst du ihm sagen?«
»Ich gehe die Sache einfach Schritt für Schritt mit ihm durch. Ian ist aalglatt, aber so glatt auch wieder nicht. Selbst wenn er alles leugnet, wovon natürlich auszugehen ist, merke ich schon, ob er lügt.«
Megan gab sich einen Ruck. »In Ordnung«, sagte sie und nickte in Richtung ihres Telefons. »Ruf ihn an.«
Chris zögerte. Wusste er wirklich so genau, was er tat? Noch war es nicht zu spät, still zu halten, so zu tun, als hätte er aufgehört, Fragen zu stellen, als mache es ihm nichts aus, dass Alex und Lenka tot waren.
Aber es machte ihm etwas aus.
Er suchte Ians Privatnummer heraus und wählte sie. Er teilte Ian einfach mit, er habe einige Dinge in Amerika entdeckt, die er mit ihm besprechen müsse, und verabredete sich mit ihm für den folgenden Tag – einen Sonnabend – zur Mittagszeit in einem Pub in Hampstead. Um diese Zeit würde es dort brechend voll und – aus Chris’ Sicht – sicher sein.
Zumindest hoffte er das.
Die Nacht mit Megan war voller Zärtlichkeit und Intensität. Die Angst, die sie um sich und umeinander empfanden, verlieh ihrer Umarmung eine besondere Tiefe. Hinterher hielten sie sich in der Dunkelheit eng umschlungen, unfähig oder nicht bereit auszusprechen, was sie empfanden. Draußen, jenseits der schützenden Collegemauern, jenseits der Winterdämmerung, von der sie nur noch wenige Stunden getrennt waren, warteten Ungewissheit, Gefahr und, möglicherweise, Tod.
Als Chris das College am nächsten Morgen vor dem Frühstück verließ, sah er, wie eine schattenhafte Gestalt in einem Auto, das nur wenige Meter entfernt parkte, die Zeitung beiseite legte und davonfuhr. Warum las jemand um halb acht morgens im Auto Zeitung, dachte Chris. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er durch den feuchten Morgendunst zum wartenden Taxi ging, unfähig, das Gefühl abzuschütteln, dass ihm die Zeit davonlief.
TEIL VIER
1
Eric blickte über den Rand seines Wall Street Journal hinweg, als sein Wagen am Heck des gelben Taxis vor ihnen hielt. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es bereits zwanzig vor sechs war. Um Viertel vor sechs hatte er einen Termin in der zentralen Filiale der Anwaltskanzlei. Er würde zu spät kommen. Es war Freitagabend, und sie hatten erst den halben Weg zurückgelegt, also würde er wahrscheinlich erheblich zu spät kommen. Unangenehm. Aber es war sowieso ein Geschäft ohne große Bedeutung. Ein Unternehmen namens Net Cop, das Switches fürs Internet herstellte, stand zum Verkauf. Der einzige Grund, warum er das Geschäft nicht einem Untergebenen hatte überlassen können, war die Tatsache, dass Sidney Stahl selbst in das Unternehmen investiert hatte. Sidney würde sich freuen, wenn Eric einen guten Preis für Net Cop erzielte. Und das würde Eric. Er war schon auf dem besten Wege. Drei große Hersteller von Telekom-Ausrüstungen waren interessiert. Einer hatte vierhundert Millionen Dollar geboten, aber Eric war zuversichtlich, dass er mindestens das Doppelte herausholen könnte, vielleicht sogar eine Milliarde, wenn es ihm gelang, ihnen genügend Angst voreinander einzuflößen.
Das
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