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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Lederjacken. Bei ihm bestand keine Gefahr. Und sein Vorrat reichte bis Ende nächster Woche.
    Und im Augenblick brauchte er das Zeug. In den letzten Wochen seit Lenkas Tod war sein Konsum in die Höhe geschnellt. Das war nicht weiter überraschend. Es waren schließlich außergewöhnliche Umstände. Außerdem wusste er ja, dass er jederzeit die Finger davon lassen konnte. In den letzten zehn Jahren war er schließlich oft genug auf Entzug gewesen.
    Ian rutschte unruhig auf seinem Sitz umher. Er unterschätzte Chris keineswegs. Chris war intelligent und entschlossen, irgendwann würde er die Wahrheit herausfinden. Wenn Eric ihn nicht vorher stoppte. Ian lief es kalt über den Rücken. Chris nervte gewaltig, aber Ian wollte nicht noch einen Mord. Das Morden musste endlich aufhören.
    Hätte er doch gesagt, was er wusste, als er vor zehn Jahren die Möglichkeit dazu gehabt hatte. Jetzt hatte er keine Wahl mehr. Er musste den Mund halten und sich auf Eric verlassen.
    Es war einfach zuviel. Ian stand auf, quetschte sich an dem Mann vorbei, der am Gang saß, und eilte zu den Toiletten.
     
    Terrys Füße kamen vollkommen lautlos auf dem feuchten Boden auf. Drei Meter hoch war die Collegemauer: kein Problem. Terry lächelte in sich hinein. Diese alten Colleges sahen von außen zwar wie Festungen aus, aber es war ein Kinderspiel hineinzukommen. Und sobald man drinnen war, gab es tausend Büsche, Treppenhäuser und Gänge, wo man sich verstecken konnte. Außerdem hatten die Leute, denen er tagsüber im Ort begegnet war, alle so eigenartig ausgesehen, dass sie sich bei seinem Anblick wahrscheinlich überhaupt nichts denken würden. Halb zwei. Der Mond war eine schmale Sichel, die nur ein schwaches, bleiches Licht auf die knorrigen Äste des alten Baums vor dem Gebäude warf. Zehn Minuten wartete Terry und strich sich über den Schnurrbart, den er sich zu diesem Anlass angeklebt hatte. Er fand allmählich Gefallen an ihm. Vielleicht sollte er sich einen wachsen lassen, wenn alles vorüber war. Aber die Perücke störte ihn. Das lange fettige Haar kitzelte ihn im Nacken. Er kam sich schmuddelig vor, nicht mehr wie der gepflegte, gut frisierte Mann der Tat, als den er sich gern sah. Trotzdem war sie notwendig. Jemand, der nur einen kurzen Blick auf ihn warf, konnte sie durchaus täuschen. Er lächelte in sich hinein, als er daran dachte, wie er Szczypiorski in New York an der Nase herumgeführt hatte.
    Er wartete, bis ein vollgetankter Heimkehrer verschwunden war, dann schlich er im Schatten der Mauer weiter, bis er das Gebäude erreicht hatte. Er richtete sich auf, erklomm die Treppe und probierte die Tür. Sie war nicht abgeschlossen. Drinnen stieg er zwei Treppenabsätze hoch, bis er an eine dicke Holztür kam, über der eine Acht stand. Diese Tür war verschlossen, aber es war ein einfaches Schloss, so dass sich Terry schon wenige Sekunden später im Inneren befand.
    Er stand in einem Wohnzimmer. Kein Bett, aber eine Tür in der Ecke. Er öffnete sie und glitt in ein viel kleineres Zimmer. Hier stand ein schmales Bett. Unter der Bettdecke eine zusammengekrümmte Figur. Das dunkle Haar war über das Kopfkissen ausgebreitet. Terry lächelte, ließ seine behandschuhte Hand in die Jacke gleiten und zog lautlos ein fünfzehn Zentimeter langes Messer heraus.
    Zwei Stunden später saß er in einem Londoner Internetcafé, dass die ganze Nacht geöffnet hatte, und tippte eine kurze Nachricht in den Computer. Drei Stunden danach hatte er Schnurrbart und Perücke abgelegt, stand an Terminal 4 in Heathrow und wartete auf einen Frühflug nach Paris.

2
    Am Sonntagmorgen wachte Chris früh auf. Keine Chance, lange im Bett zu bleiben, wie es seinen Sonntagsgewohnheiten entsprach, also stand er auf und kochte sich in der Küche eine Tasse Tee. Die Gedanken, die in seinen Träumen unzusammenhängend durcheinandergepurzelt waren, ordneten sich jetzt zu Fragen, die es zu beantworten galt. Marcus, Ian, Alex, Lenka. In welcher Beziehung standen sie zueinander? Was war vor zehn Jahren in den Gewässern vor dem Long Island Sound geschehen? Was war vor zwei Wochen in Prag geschehen? Und was tat Ian in Paris?
    Chris wanderte mit seiner Tasse Tee im Wohnzimmer auf und ab. Er blickte auf den leeren Bildschirm seines PC. Vielleicht war eine E-Mail von Marcus da? Oder von George Calhoun? Oder von jemand anders, der etwas Licht in diese verfahrene Geschichte bringen konnte? Wahrscheinlich war es Zeitverschwendung, trotzdem fuhr er den Computer hoch und

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