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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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die gut zwanzig Zentimeter kleiner war.
    »Hallo«, sagte Tamara kühl.
    »Du kommst gerade rechtzeitig, um Chris ein bisschen zu entspannen. Er braucht Entspannung. Stimmt doch, Chris, oder?«, sagte Lenka und drückte ihn liebevoll an sich. »Weißt du, er arbeitet zu viel.«
    »Sicher«, sagte Tamara. »Ihr amerikanischen Banker nehmt die Arbeit sowieso viel zu ernst. Mir gefällt die britische Methode viel besser. Wir legen nicht so viel Wert auf Finanzanalysen und das ganze Zeug. Aber wir kommen auch zurecht.«
    »Nein, das System ist durchaus sinnvoll«, meinte Duncan ernst. »Aber ihr Merchant-Banker solltet eure eigenen Ausbildungsprogramme haben. Ich glaube nicht, dass man in der modernen Finanzwelt ohne sie überleben kann. Irgendwann geht’s nicht nur darum, was man kann, sondern wen man kennt.«
    Auf Tamaras Wangen zeigten sich zwei rosafarbene Flecken. Chris erkannte die Symptome und sah dem, was da kam, mit Schrecken entgegen.
    »Das ist nicht ganz fair, Duncan«, sagte sie. »Gurney Kroheim hat ein paar sehr gute Leute.«
    »Bestimmt«, sagte Duncan. »Ich meine nur, dass auch diese Leute von einer formellen Ausbildung profitieren würden.«
    »So wie du?«, fragte Tamara mit einem gemeinen Glitzern in ihren Augen.
    »Genau«, sagte Duncan misstrauisch.
    »Du findest also nicht, dass das Ausbildungsprogramm von Bloomfield Weiss zu schwer ist?«
    »Eigentlich nicht«, meinte Duncan unsicher. »Klar, es ist schwer, aber ich komm schon klar.«
    »Da hab ich was ganz anderes gehört.«
    »Was soll das heißen?« Duncan blickte von Tamara zu Chris, der unruhig von einem Fuß auf den anderen trat.
    »Nun, ein System, das seine Trainees so unter Druck setzt, dass einige darunter zusammenbrechen, kommt mir nicht gerade ideal vor. Aber ich bin sicher, du schaffst es.«
    Duncan wollte etwas erwidern, verkniff es sich aber. Er wusste, dass Tamara ihn nicht ausstehen konnte, und er war nicht betrunken genug, um es auf einen Streit ankommen zu lassen. Lenka dagegen durchaus.
    »Warum beleidigst du meinen Freund?«, fragte sie.
    »Ich beleidige ihn nicht«, sagte Tamara. »Zumindest nicht absichtlich. Duncan hat angefangen. Ich habe ihm nur geantwortet.«
    Lenka hatte leichte Gleichgewichtsprobleme. »Chris, das ist ja eine schreckliche Person. Ich kann nicht glauben, dass du so eine furchtbare Freundin hast.«
    Chris, der das Gespräch entsetzt verfolgt hatte, wusste, dass der Zeitpunkt gekommen war, einzugreifen.
    »Lenka«, sagte er entschieden. »Ich weiß, dass du eine Menge getrunken hast, aber so was darfst du trotzdem nicht sagen.«
    »Ich darf«, sagte Lenka. »Weil es stimmt. Du bist so ein netter Kerl, Chris. Du hast was Besseres verdient.«
    »Chris!«, keuchte Tamara, außer sich. »Sag ihr, sie soll sich entschuldigen.«
    Die Partygäste in der Nähe waren alle verstummt und blickten Chris erwartungsvoll an.
    »Lenka, ich bin sicher, dass du nicht wirklich meinst, was du eben gesagt hast. Würdest du dich bitte entschuldigen?«
    »Kommt nicht in Frage!«, sagte Lenka und starrte Tamara an.
    »Komm«, sagte Duncan und zog sie am Arm. »Komm, lass uns ein bisschen frische Luft schnappen.«
    Lenka zögerte, ließ sich dann aber von Duncan mitziehen. Schweigend beobachteten die Umstehenden, wie die beiden das Zimmer verließen, dann schwoll das Stimmengewirr explosionsartig an.
    »Wir gehen«, sagte Tamara entschlossen.
    »Verabschieden wir uns wenigstens von Eric und Alex«, sagte Chris.
    »Nein, wir gehen sofort.«
    Das taten sie dann auch. Als sie auf die stille Straße traten, sahen sie die Umrisse von Lenka und Duncan um die Ecke verschwinden. Chris rief ein Taxi herbei. Schweigend fuhren sie in das Apartment zurück.
     
    »Ciao, Chris. Es war schön. Ich werd dich vermissen.«
    Sie standen vor dem Abflug-Gate des Newark Airport. Es war Sonntagabend; das Wochenende war vorüber.
    »Vielen Dank, dass du den langen Flug auf dich genommen hast«, sagte Chris.
    »Das war die Sache wert.«
    »Glaubst du, dass du noch mal kommen kannst?«
    »Ich würde gerne«, sagte Tamara. »Vielleicht an dem Feiertag Ende Mai. Wenn ich einen billigen Flug bekomme.«
    »Wahrscheinlich setzen sie an dem Wochenende die Preise hoch«, sagte Chris. »Um von Leuten wie uns zu profitieren.«
    »Ich versuch’s trotzdem«, sagte Tamara. Chris zog sie eng an sich, küsste sie und ließ sie dann gehen. Er sah ihr nach, wie sie sich vor dem Metalldetektor anstellte. Sie drehte sich um, bevor sie sich auf den Weg durch den langen

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