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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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amerikanischen Touristen im Seniorenalter, Zigarren rauchenden Geschäftsleuten und einer Gruppe von Männern mit schwarzen Schlipsen, die sich aus irgendeinem feierlichen Anlass versammelt hatten. Chris war froh, dass er seine Jeans mit einer Kombination vertauscht hatte, fühlte sich aber trotzdem nicht ganz auf der Höhe der Kleiderordnung.
    Am Tag zuvor hatte er Megan zum Bahnhof King’s Cross gebracht und sich von ihr verabschiedet. Außerdem hatte er Lenkas Eltern angerufen und ihnen in einem langsamen, mühsamen Gespräch vorgeschlagen, sich einen Nachlassverwalter zu nehmen, der ihre Angelegenheiten in London abwickelte. Er fragte sie, wie die polizeiliche Untersuchung vorankomme. Sie berichteten, die Polizei habe einen stadtbekannten Kriminellen mit Verbindungen zur ukrainischen Mafia verhört, habe ihn aber wieder laufen lassen müssen. Zumindest glaubte Chris, das aus den Worten von Lenkas Vater herausgehört zu haben. Sicher war er sich nicht. Fest stand allerdings, dass Lenkas Begräbnis am Mittwoch sein würde. Chris wollte hin, Megan auch. Als er Duncan anrief, erklärte dieser, er werde auch kommen. Ein tschechisches Begräbnis im Februar versprach, eine triste Angelegenheit zu werden. Wenigstens würde Megan da sein.
    Marcus fiel ihm ein. Wer mochte er sein? Lenka hatte gesagt, er habe ein »Recht« darauf, die Wahrheit über Alex’ Tod zu erfahren. Wer konnte ein solches »Recht« für sich in Anspruch nehmen? Das traf weder auf die Polizei noch auf Privatdetektive zu, und ganz bestimmt nicht auf Journalisten. Es musste jemand sein, der in engerer Verbindung zu Alex stand. Ein Freund? Ein Verwandter?
    Plötzlich wusste Chris die Antwort. Sie war leicht zu überprüfen: Eric musste es wissen.
    »Hallo, Chris, wie geht’s?«
    Er hatte sich kaum verändert. In Blazer, Hemd und Krawatte, schien er für diese Umgebung gemacht. Wie Ian vermittelte er den Eindruck, weit mehr Erfahrung und Autorität zu besitzen, als seinen Jahren entsprach, aber im Unterschied zu Ian tat er das auf lässige und selbstbewusste Weise.
    »Gut, und dir?«
    Eric erklomm einen Barhocker neben Chris. »Ein bisschen hektisch. Aber es ist immer hektisch. Ich habe gerade meine Steuererklärung aufgesetzt. Weißt du, dass ich im letzten Jahr hundertdreiundvierzig Tage außer Landes war?«
    »Immer geschäftlich?«
    »Bis auf vier. Eigentlich wollten wir eine Woche Urlaub auf den Bermudas machen, aber sie haben mich früher zurückgerufen. Cassie war höllisch sauer, und ich kann es ihr nicht verdenken. Aber vermutlich gefällt es mir so, wie es ist.« Er bestellte beim Barkeeper einen Kir. »Wie lange ist es her? Über ein Jahr?«
    »Stimmt. Es war kurz nachdem Lenka und ich Carpathian auf die Beine gestellt hatten. Wir waren zum Dinner in einem Lokal in Chelsea.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Eric lächelnd. Dann verschwand das Lächeln. »Schrecklich, die Geschichte mit Lenka. Du bist dabei gewesen, hab ich gehört?«
    Chris seufzte. »Stimmt. Ich träum noch davon. Ich glaube nicht, dass ich das so bald vergessen kann.« Unwillkürlich blickte er auf seine Hände. Eric bemerkte es.
    »Scheußliche Sache, oder?«
    Chris nickte. Aus irgendeinem Grunde hätte er in diesem Augenblick fast die Beherrschung verloren. Er hatte die Ereignisse so oft auf möglichst unbeteiligte Weise erzählt, dass es ihm fast gelungen war, sich einzureden, er sei eigentlich gar nicht dabei gewesen. Doch jetzt, im Gespräch mit Eric, setzte sich die Wahrheit unerbittlich durch, und alles war plötzlich wieder gegenwärtig. Alle Einzelheiten stürmten wieder auf ihn ein. Er spürte, wie es ihm heiß in die Augen stieg.
    Er schluckte. »Tut mir leid«, sagte er.
    »Schon gut«, sagte Eric behutsam. »Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie es war.«
    »Jedenfalls nichts, was ich noch einmal erleben möchte«, sagte Chris. »Wie hast du davon erfahren?«
    »Das hat natürlich bei Bloomfield Weiss die Runde gemacht. Hat man den Kerl erwischt?«
    »Anscheinend nicht. Letzte Woche hat die Prager Polizei jemanden verhört, musste ihn aber laufen lassen. Ich weiß nicht, ob sie andere Spuren hat.«
    »Lenka war eine ganz ungewöhnliche Frau«, sagte Eric. »Ich werde nie vergessen, wie sie im Ausbildungsprogramm war. Sie hat dem Ganzen eine besondere Note gegeben, findest du nicht? Farbe. Spontaneität. Feuer. Weißt du noch, wie sie Waldern auf die Hörner genommen hat, als er diese Italienerin schikaniert hat, wie hieß sie noch?«
    »Carla. Ja, ich

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