Das Prometheus Mosaik - Thriller
Mratscheks Taschenlampe war alles, was an Helligkeit übrig war. Der Schein tanzte und hüpfte hin und her und ließ Fio lediglich erahnen, dass die beiden Männer miteinander rangen. Da sie sich im Augenblick nicht vor Mratschek verbergen musste, konnte sie auch ihre Lampe einschalten. Sie richtete den Kegel dorthin, wo die beiden Männer wie vermutet miteinander kämpften.
Der Fremde bewegte sich so fließend, dass er nicht verletzt sein konnte, nicht schwer jedenfalls. Mratschek hackte regelrecht mit dem Skalpell auf ihn ein. Fio hatte keinen Zweifel daran, dass der andere einem Treffer bisher allein aus purem Glück entgangen war.
In ihr schaltete etwas um. Sie hörte auf zu denken und handelte nur noch. Sie musste und wollte in das Geschehen eingreifen, wenn sie es schon nicht verstand, und ihr Unterbewusstsein riss die Kontrolle an sich.
Fio richtete den Lichtkegel ihrer Lampe direkt in Mratscheks Gesicht.
Der erwünschte Effekt stellte sich ein.
Mratschek kniff die Lider zusammen, hob sogar reflexartig die Hand, als könne er das Licht, das ihm in die Augen stach, so abwehren.
Und der Fremde begriff, erkannte die Chance, die Fio ihm verschaffte, und reagierte.
Er versetzte Mratschek zwei Stöße, die diesen nach hinten trieben. Fio hielt ihre Lampe weiter auf Mratschek gerichtet. Im Staub, der nun auch diesen Gang erfüllte, wirkte die Szene endgültig wie auf einer alten Fotografie, die Farben verblasst und über allem ein braun- und gelbstichiger Schleier.
Durch die heftigen Bewegungen der beiden Gegner entkam Mratschek Fios Lichtkegel, lange genug, um zu einem weiteren Stich auszuholen, und Fio konnte förmlich sehen, dass dieser Hieb den Fremden treffen würde, so deutlich, als sei es schon passiert.
Da wurde der Zufall zu seinem Retter.
Die Ausläufer des Einsturzes, der nebenan alles zugeschüttet hatte, ließen immer noch auch diesen Gang erzittern, wie ein Nachbeben, dem die Kraft fehlte, weitere Verheerung anzurichten, das sich aber weigerte, schon aufzugeben.
Und diese Beharrlichkeit zahlte sich gewissermaßen aus.
Etwas löste sich aus der Decke, Steine, und sie fielen aus dem Dunkeln auf die zwei kämpfenden Männer herab. Der Gang war an dieser Stelle nicht sehr hoch, die Steine fielen nicht sehr weit, und ihre Wucht reichte nicht, um einem den Schädel zu zertrümmern. Aber einer traf Mratscheks Arm, sodass die Hand mit der Waffe abgelenkt wurde. Sein Stich ging ins Leere.
Der andere Mann schützte sich mit den Armen notdürftig vor zwei, drei herabfallenden Steinen, die ihn dennoch trafen, nicht so hart allerdings, dass es ihn davon abgehalten hätte, Mratschek einen Tritt vor die Brust zu versetzen, der ihn abermals nach hinten stieß – während sich von oben herab ein Sturzbach aus Stein und Erde zwischen sie ergoss und sie voneinander trennte. Für den Augenblick wenigstens.
Die Flüchtigkeit dieses Glücks war auch dem Fremden bewusst. Er ergriff die Gelegenheit beim Schopf, tat das einzig Vernünftige, drehte sich um, lief zu Fio, packte sie am Arm und zog sie mit sich fort.
In der Hoffnung auf einen Weg aus der Ausweglosigkeit.
***
»Wer ist dieser Kerl? Und was will er von Ihnen?«
Theo folgte dem Lichtpunkt, der vor ihnen durch die Dunkelheit hüpfte wie ein leuchtender Ball, hin und her zwischen Boden und Decke, den Wänden links und rechts, die mal aufeinander zuzuwachsen schienen und sich dann wieder weiteten, wie etwas lebendig Pulsierendes.
»Peter Mratschek«, antwortete das Mädchen, das mit der Taschenlampe vor ihm herlief. »Was er will, haben Sie ja gesehen«, fuhr sie fort. Ihr leichter Akzent fiel Theo erst jetzt auf. Südländisch in jedem Fall. Italienisch, vermutete er.
»Er will Sie umbringen? Warum …?«
Theo unterbrach sich. War das eine dumme Frage? Der Gedanke, dass er in eine versuchte Vergewaltigung geraten war oder etwas in der Art, lag nahe. Aber irgendetwas gab es, das ihm verriet, dass die Angelegenheit so simpel nicht war. Er entsann sich des Blickes, mit dem das Mädchen ihn bedacht hatte. Als hätten sie sich schon einmal gesehen, als erkenne zumindest sie ihn wieder. Theo selbst wusste, dass er sie nicht kannte … Neue Fragen keimten in ihm auf. Einen Moment lang schien der Gang sich um ihn herum so zu verengen, dass ihm die Luft zum Atmen zu fehlen schien. Tatsächlich hatte diese Attacke einen anderen Grund.
Die Fragen …
Hörten sie denn nie auf? Kamen denn immer nur neue dazu, ohne dass sich je eine Antwort
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