Das Prometheus Mosaik - Thriller
Fio entgegen aller Hoffnung; es war nicht mehr als ein Reflex wie jener, mit dem sie die Arme hob, um sich zu schützen, und jener, mit dem sie sich machtvoll gegen die Mauer in ihrem Rücken stemmte, wie um hineinzukriechen, in dem widersinnigen Glauben, Stein könne einmal nicht steinhart sein, sondern durchlässig wie Wasser.
Aber der Stein blieb hart.
Wie Fios Los.
***
Staubwolken trieben wie Dampf in einer Sauna um Theo herum. Das Prasseln von Ziegeln aus der Decke und nachrutschendem Erdreich wurde immer lauter, und es mischte sich weiterer Lärm hinzu, mit dem ganze Blöcke aus Erde und Stein herunterkrachten.
Da erschien Theo eine Hand.
Erst hielt er die Hand wirklich für eine Erscheinung, eine Halluzination, einen Trostversuch seines Unterbewusstseins, das seinem Verstand eine sich ihm entgegenstreckende Hand vorgaukelte, die nach ihm griff, um ihn hier herauszuholen.
Das tat sie nicht. Aber echt war sie. Und ihre Finger spreizten und streckten sich, wie um nach etwas zu fassen, einem Halt, der nicht da war.
Dann verschwand die Hand, wurde durch das Loch im Mauerwerk zurückgezogen – und schon barst Theo diese Mauer entgegen.
Das Knirschen der sich aus dem Verbund lösenden Steine und das Poltern, mit dem sie sich vor ihm zu einem Hügel aufschichteten, waren lauter als das Lärmen des einstürzenden Kellers.
Noch lauter war der Schrei der jungen Frau, die Theo vor die Füße fiel.
Eigentlich war sie noch ein Mädchen. Ihr schwarzes Haar war zerzaust und hing ihr wirr ins schweißnasse, verzerrte Gesicht. Ihre großen dunklen Augen, die ebenfalls fast schwarz zu sein schienen, wurden noch größer, als sie Theo gewahrte. Im ersten Augenblick sah er in ihnen nur blankes Entsetzen, das jeden anderen Ausdruck ausgelöscht hatte. Dann gesellte sich ein neuer hinzu, zwei eigentlich: erst reine Überraschung, dann Verständnislosigkeit. Als sehe das Mädchen in ihm etwas, das sie nicht begreifen konnte. Als erkenne sie ihn wieder.
Und dementsprechend entfuhr es ihr auch: »Sie …?! Aber wie …«
Vielleicht hätte sie noch etwas gesagt, vielleicht nicht; Theo zerrte sie in die Höhe, und sie verstummte. Sie wollte sich auf der Stelle an ihm vorbeidrücken, in den Keller laufen, auf der Flucht wovor auch immer. Denn dass sie auf der Flucht war, strahlte von ihr aus wie ein Geruch, der Bände sprach.
Weiter konnte Theo in diesem Augenblick nicht darüber nachdenken. Er durfte jetzt auch nicht denken, sondern musste etwas tun.
»Da geht es nicht weiter«, rief er. »Wir müssen da rein.« Er wies auf das Loch, das in der Mauer entstanden war und das Mädchen ausgespuckt hatte.
»Das können wir nicht«, rief sie erschrocken. Und warnend. »Da ist Mratschek …«
Theo hörte sie nicht, er hatte bereits einen Schritt auf den Spalt in der Mauer zugetan, das Mädchen hinter sich herziehend. In einem unbewussten Anflug von Galanterie wollte er ihr den Vortritt lassen und schubste sie durch die Öffnung, bevor er ihr folgte, sie zur Seite schob – und aufschrie.
Binnen eines Sekundenbruchteils geschahen drei Dinge:
Ein Lichtkegel blendete Theo.
Im Streulicht, das durch die Mauerlücke hereinfiel, erhaschte er einen Blick auf das wie von Wahnsinn entstellte Gesicht eines Mannes.
Aus der Schwärze fuhr ein Blitz auf ihn herab, in dem er die schmale Klinge eines Skalpells erkannte.
***
Im herrschenden Zwielicht, das kaum ein solches war, konnte Fio nicht sehen, ob Mratschek sein Opfer traf. Der Fremde – der wohl kaum der sein konnte, den sie zuerst in ihm zu sehen geglaubt hatte – schrie jedenfalls auf, nur wusste sie nicht, ob vor Überraschung und Schreck oder tatsächlich auch vor Schmerz.
Natürlich stellte sich ihr die Frage, wer er denn nun tatsächlich war, dazu die nach dem Grund seines Auftauchens hier und wie er überhaupt hergekommen war, und das just zu diesem Zeitpunkt. Aber über etwaige Antworten auch nur nachzudenken, waren dies nicht der Ort und schon gar nicht die Zeit.
Dennoch musste Fio froh sein, es für einen Augenblick getan zu haben. Denn dieser Augenblick des Zögerns war es, der ihr das Leben rettete, sie davor bewahrte, unter Trümmern begraben zu werden. Denn als sie durch das Loch wieder dorthin schlüpfen wollte, wo der andere hergekommen war, stürzte die Welt da draußen ein.
Das Donnern, Poltern, Krachen und Rumpeln, mit dem es geschah, pflanzte sich fort, herüber in das Labyrinth, dessen Gefangene Fio nun wieder war. Und nicht nur sie.
Das Licht von
Weitere Kostenlose Bücher