Das Prometheus Mosaik - Thriller
lange währte – plötzlich dunkel färbte, wie von hineingegossener Tinte.
Dann ließ der Widerstand unvermittelt nach, und Theo wurde durch die eigene Zugkraft mit einem Ruck auf den Rücken gedreht.
Seine Finger lagen immer noch um Mratscheks Hand. Nur um seine Hand. Sie gehörte Mratschek nicht mehr. Wasser tropfte von der Hand auf Theo herab. Wasser und Blut.
Zunächst glaubte er, die Sogkraft des abfließenden Wassers hätte Mratschek die Hand vom Gelenk gerissen; im zweiten erkannte sein geübter Blick, was wirklich geschehen – und nicht nachzuvollziehen war.
Der Kerl hat sich die Hand abgeschnitten …
Theo hatte schon vieles gesehen; Mratscheks Hand war auch nicht die erste amputierte, die er sah, nicht einmal die erste, die er in Händen hielt.
Trotzdem schauderte er bei dem Anblick.
Er schauderte auch beim Anblick der Tätowierung, die in die Haut von Mratscheks Handrücken gestochen worden und die unübersehbar frisch war, allenfalls ein paar Stunden alt; die Stelle war noch rot und geschwollen.
Es war das gleiche Symbol, auf das Theo nun zum wiederholten Mal stieß und das so vieles miteinander zu verbinden schien, was er immer noch nicht durchschaute. Weil ihm alles, was ihm vielleicht hätte weiterhelfen können, durch die Finger rann.
Er zögerte kurz. Dann warf er die abgetrennte Hand ins Wasser, ihrem nun zweifellos toten Besitzer hinterher.
***
W IEN , P ENSION T ENKRAT , VIER U HR MORGENS
Sara saß auf dem Bett in ihrem Zimmer und starrte das Telefon auf dem Nachttisch an. Als könnte es klingeln und eine Stimme ihr alles verraten, was sie wissen musste und was zu tun war.
Aber sie sah den Apparat eigentlich gar nicht. Vor ihren Augen spielte sich immer wieder ab, was vor wenigen Stunden geschehen war.
Sie war aus dem brennenden Haus entkommen. Und offenbar hatte es niemand bemerkt; jedenfalls hatte niemand sie aufgehalten, als sie sich in die größer werdende Schar von Schaulustigen und besorgten Anwohnern mischte.
Die Feuerwehr gab es rasch auf, das Gebäude retten zu wollen, und beschränkte sich darauf, die angrenzenden zu schützen. Das gelang nicht. Zuerst fiel der ehemalige Sitz von ProMed in sich zusammen wie ein Kartenhaus; dieses Haltes beraubt, folgten kurz darauf die beiden angrenzenden Häuser.
Allmählich verlief sich die Menge wieder. Kaum mehr als eine Hand voll Menschen blieb mit Sara zurück und wurde Zeuge, wie irgendwann zwei Körper aus der Ruine und den Trümmern geborgen wurden; ob tot oder lebendig, ließ sich aus der Ferne nicht sagen. Sara stahl sich zu den beiden Ambulanzwagen, in die man die Opfer verfrachtet hatte. Auch dort erfuhr sie nichts über ihren Zustand, doch immerhin konnte sie feststellen, dass Theo nicht darunter war.
Aber war das auch Grund zur Hoffnung? Bedeutete es nicht einfach nur, dass man ihn noch nicht gefunden hatte – oder dass nichts mehr von ihm übrig war, das man finden konnte?
Wahrscheinlicher war es. Aber dieser Wahrscheinlichkeit verweigerte Sara sich.
Schließlich war sie gegangen, zurück in die Pension, in der sie sich nach der Ankunft in Wien am Vormittag einquartiert hatten, um sich ein wenig auszuruhen. Geschlafen hatte Sara nicht, Theo auch nicht; sie teilten sich das Zimmer, hatten sich als Ehepaar eingetragen. Stundenlang hatten sie nebeneinander gelegen, stumm, um den anderen schlafen zu lassen und selbst etwas Ruhe zu finden. Was es zu sagen gegeben hatte, das hatten sie auf der Fahrt von Berlin nach Österreich gesagt. Auch diese Fahrt hatten sie dementsprechend schweigend hinter sich gebracht …
Sara sah, wie ihre Hand sich auf den Telefonhörer legte. Die Notrufnummer stand auf einem Aufkleber über dem Tastenfeld.
Es blieb ihr nichts anderes mehr zu tun, als die Polizei zu informieren. Sie war jetzt allein, und sie hatte nicht die allerdünnste Spur, die zu Paul führen konnte. Sie wusste nicht einmal, wo sie nach einer solchen Spur hätte suchen sollen. Es war Zeit, die Sache in andere Hände zu legen. Vielleicht war es schon zu spät.
Jetzt auch zu spät für Theo …
Im Nachhinein hätte Sara geschworen, dass sie ihn zuerst gerochen hatte.
Wie von den Toten auferstanden, sah sie ihn auf einmal in der offenen Tür stehen, von den Ausläufern des Lichts der Stehlampe berührt, die als einzige im Zimmer brannte. Obwohl er völlig nass war, roch Theo immer noch nach Asche und Rauch, dazu nach Kloake, nach Chlor und Ozon.
Sara sprang auf und lief zu ihm. Eine Sekunde lang standen sie einander
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