Das Prometheus Mosaik - Thriller
weit.
Theo wies zu Boden, auf ein totes Tier unter zwei sich kreuzenden Balken. Es war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt –fast bis zur Unkenntlichkeit. Was dieses Tier von anderen seiner Art unterschied, war auch jetzt noch eindeutig auszumachen.
Theo hatte ihr von der Katze erzählt. Sie mit eigenen Augen zu sehen, war trotzdem ein Schock.
Anderthalb Köpfe, zwei Gesichter; das eine in der Asche vergraben, das andere nach oben gewandt, sodass die im Feuer blind gewordenen Augen zu ihnen heraufzustarren schienen, anklagend, vorwurfsvoll wie die eines Bettlers, an dem man achtlos vorüberging, ohne ihm ein Almosen zu geben.
Der Gedanke, der sich aus der Existenz dieser Kreatur ergab, war Sara schon am Morgen gekommen, als sie von dem Tier gehört hatte. Aber er hatte sich leicht vertreiben lassen, hatte nicht darauf beharrt, weiter und zu Ende gedacht zu werden. Jetzt war er wieder da, und er blieb, so wie die tote Katze liegen blieb.
Angewandte Genetik …
Der Begriff drängte sich auf. Es lag auf der Hand, was hinter dieser Katze steckte, zumal im Rahmen all der anderen Geschehnisse und Geheimnisse. Alles zusammengenommen ergab durchaus ein Bild, kein vollständiges vielleicht, aber eines, das schemenhaft zu erkennen war.
Sara wusste, dass Paul und Theo die gleiche Narbe aufwiesen, an der gleichen Stelle ihres Körpers -ein münzgroßer Fleck toten Gewebes am Gesäß …
Theo musste längst selbst auf diese Möglichkeit gekommen sein, die sich so machtvoll in den Vordergrund schob. Auch wenn er sie mit keiner Silbe erwähnte. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Versuchte sich vorzustellen, was diese Erwägung in ihm auslösen musste. Dazu war sie jedoch nicht in der Lage, weil es nichts Vergleichbares gab. Niemand auf der Welt hatte sich je mit dieser Idee auseinandersetzen müssen, niemand war je davon betroffen gewesen.
Niemand – kein Mensch …
Aber auch diese Möglichkeit, sollte sie zutreffen, war keine wirkliche Antwort. Weil sie Hunderte neue Fragen nach sich zog, aus denen sich vor allem eine herausschälte:
Wer von ihnen war … das Original?
Theo selbst war es, der Sara davon erlöste, sich noch weiter mit diesem Thema befassen zu müssen, das sie doch eigentlich nur am Rande berührte und doch ihre ganze Welt erschütterte.
Es war gar nicht so sehr die Katze gewesen, die Theo ihr hatte zeigen wollen. Er hatte unterdessen die beiden Balken über dem Kadaver zur Seite geräumt. Jetzt beugte er sich über das tote Tier, berührte es ohne Scheu und löste, wie es aussah, etwas, das die Katze um den Hals getragen hatte.
»Ist mir gestern gar nicht aufgefallen«, sagte er, noch in der Hocke. »War ziemlich struppig, das Tierchen.«
Er hielt, wie Sara erwartet hatte, ein verkohltes Halsband in die Höhe. Daran blinkte etwas Silbriges. Ein eiförmiges Behälterchen, wie sie beim genauen Hinsehen erkannte, nicht größer als ein Fingerglied. In der Mitte ließ er sich auseinanderschrauben und öffnen.
Das tat Theo, dann holte er heraus, was in der kleinen Kapsel steckte.
Ein Papierröllchen. Sehr altes Papier, wie Sara erkannte, als Theo es vorsichtig auseinanderzog und schließlich einen fingerlangen Streifen in Händen hielt. Die Färbung und Oberfläche des Papiers verrieten, dass es irgendwie haltbar gemacht worden war.
Darauf stand, in kunstvoll aussehender, kleiner Schrift, ein Satz in einer Sprache, die Sara zwar als Latein erkannte, in der sie allerdings nicht bewandert war. Lesen konnte sie die Worte natürlich trotzdem:
Nam et ipsa scientia potestas est.
Sie sah Theo fragend an.
»Denn Wissen selbst ist Macht«, übersetzte er und hob ahnungslos die Schultern.
***
U NTER W IEN , IRGENDWANN
Fio war an Peter Mratscheks Stelle getreten, buchstäblich. Sie tat nicht nur, was sie ihn zusammen mit Döberin hatte tun sehen, sie stand auch noch genau dort, wo Mratschek gestern gestanden hatte. In einem unterirdischen Raum, in den aus irgendwo unter der Decke liegenden Zustromöffnungen kalte, scharf nach Desinfektionsmitteln riechende Luft gepumpt wurde, die sich wie dünner Nebel zwischen den hohen Mauern sammelte.
Und sie stand neben dem Patienten. Derselbe wie gestern, nur … weniger geworden. Zum einen wirkte er ausgemergelter als am Tag zuvor, blasser, ungesünder. Es fehlte aber auch tatsächlich ein Stück von ihm.
Die Ähnlichkeit jedoch war nach wie vor zu erkennen, und Fio fand sie immer noch erstaunlich in einem Maße, das der Melange aus Entsetzen, Ekel und Widerwillen,
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