Das Prometheus Projekt
verriegelt. Sie musste im Schlafzimmer sein.
Odersie war bereits tot.
Adrian presste die Hände um die Beretta. Das Risiko, den Fremden durch die schmale Schlafzimmertür anzugreifen, war zu groß. Er hatte keine Ahnung, mit wem er es zu tun hatte oder ob der Mann bewaffnet war. Eins wusste er allerdings sicher: Der Kerl war vollkommen verrückt. Und er hatte Jack getötet. Dazu gehörten Kraft, Mut und Verschlagenheit.
Im Schlafzimmer wurde es schlagartig still. Adrian lauschte mit angehaltenem Atem in die Stille. Und dann waren die Bilder da. Er biss sich in den Handrücken, um nicht zu schreien. Sie entstanden mitten in seinem Kopf und waren so deutlich wie der Film auf einer Kinoleinwand: Blut, ein warmes, noch schlagendes Herz, ein gekreuzigter Priester und ein abgerissener Kopf mit blicklosen Augen. Die Bilder überschlugen sich und blitzten im Sekundentakt durch seinen Verstand: Nadeln, ein Arztkittel, starke Arme, die einen Körper im grünen OP-Kittel niederdrückten und festhielten, eine Tätowierung wie die Seriennummer eines Labortieres, ein Käfig aus dicken Eisenstangen und immer wieder Bilder von Eve, wie sie neugierig lachend auf ihn zu kam, harmlos und freundlich, und dann: wieder Blut und Hände, die darin badeten; Hände, die nicht mehr menschlich waren und in hornartigen, langen Klauen ausliefen.
So schnell, wie die Bilder kamen, waren sie wieder verschwunden. Adrian atmete schwer, sein Herz raste. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Wie lange stand er schon hier? Er fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht und blinzelte die Bilder fort, die noch immer wie bunte Flecken vor seinen Augen tanzten.
Langsam zog er sich zurück und betrat den Raum neben dem Schlafzimmer. Er versuchte alles andere zu verdrängen und sich nur auf seine Aufgabe zu konzentrieren, so wie man es ihm vor langer Zeit beigebracht hatte. Er steckte die Beretta in den Hosenbund, öffnete das Fenster und schwang sich über die Brüstung. Einen Meter unter ihm lief ein schmaler Sims um das Haus. Er presste sich flach an die Wand und tastete sich an den rutschigen Schieferplatten entlang, bis seine Zehenspitzen auf dem Steinsims Halt fanden. Hier draußen verschluckte der prasselnde Regen jedes Geräusch.
Adrian kletterte an der Fassade entlang, bis sein Fuß an die Kante des schräg abfallenden Scheunendaches stieß. Von dort aus gelangte man durch das Fenster ins Schlafzimmer, und diesen Weg musste der Eindringling ebenfalls genommen haben. Von hier aus würde er einen Angriff mit Sicherheit nicht erwarten.
Adrian suchte mit dem Fuß nach sicherem Halt auf dem Teerdach. Der Wind peitschte ihm kalten Regen ins Gesicht und zerrte an seinem durchnässten Hemd. Er hatte keine Hand für die Lampe frei, außerdem hätte er damit den Angreifer gewarnt, und so musste er sich in der Dunkelheit ganz auf seinen Instinkt verlassen. Er legte sein ganzes Gewicht in den rechten Fuß, um sich auf das Dach zu ziehen und rutschte ab. Einen schrecklichen Moment lang hing er nur an einer Hand und klammerte sich an die Regenrinne über ihm, die bedrohlich knirschte und nachgab. Endlich fand er Halt in einer Lücke zwischen den Schieferplatten und schwang sich auf das Scheunendach.
Hier auf der freien Fläche fiel ihn der Herbstwind wie ein wildes Tier an. Adrian zog die Beretta aus dem Gürtel und kauerte sich unter das offene Schlafzimmerfenster. Der Eindringlingtobte im Innern des Hauses wie ein Berserker und war damit beschäftigt, die gesamte Einrichtung zu zerlegen. Das Krachen zersplitternden Holzes übertonte sogar den Regen, dazwischen stieß der Fremde immer wieder heisere Schreie aus. Mit einem hellem Klirren zerbarst der große Schrankspiegel und setzte den Schlussakkord unter die Raserei. Plötzlich war es still im Haus.
Adrian spähte über die Fensterbrüstung. Das Schlafzimmer lag in tiefem Schatten, nichts rührte sich. Die Tür des begehbaren Wandschrankes knarrte leise in den Angeln.
Adrian kletterte durch das eingeschlagene Fenster. Seine Stiefel erzeugten auf den Glasscherben ein leises Knirschen. Er zog die Taschenlampe aus dem Hosenbund und knipste sie entschlossen an.
Der Lichtstrahl zuckte wie eine Schlange durch den Raum und enthüllte bruchstückhaft das Chaos. Von Eve und dem Angreifer fehlte jede Spur. Adrian näherte sich mit drei schnellen Sprüngen der Schranktür zum Ankleidezimmer. Seine Nerven waren gespannt wie eine Bogensehne, und er war bereit, bei der geringsten Bewegung zu schießen.
Als er
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