Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
Vom Netzwerk:
Garten. Ich wollte allein sein mit dem, was ich erlebt … was ich getan hatte. Aber mehr noch brauchte ich jemanden, der mich tröstete. Ich hätte zu Blanche gehen können, sie würde sich an mich schmiegen wie ein junges Kätzchen und ebenso beruhigend schnurren, aber allein der Gedanke, jetzt einer Fee über den Weg laufen zu müssen, war unerträglich. Und Lucy? Die mich nicht mehr erkannte und deren Anblick mir das Herz aus dem Leib riss? So weh es tat, nein. Es gab nur noch einen, der mir jetzt helfen konnte. Und das, ausgerechnet, war Alan.

Sechzehntes Kapitel
    Ich lief durch den regennassen Garten, und auch wenn ich ein Ziel hatte, wollte ich in diesem Augenblick doch nichts tun als rennen, mit einem leeren Kopf und ohne einen Gedanken an das, was ich getan hatte. Um zum Kutscherhaus zu kommen, musste ich fast den ganzen Park durchqueren, dennoch lief ich lieber einen Umweg, als dass ich zu schnell vor der Tür gestanden hätte. Wie es dann weitergehen sollte – ich wusste es nicht. Ich konnte schlecht dem Kutscher verraten, dass sich ein Feenjäger unter seinem Dach eingenistet hatte. Nun, ich konnte mir immer noch überlegen, wie ich da oben hinauf und zu Alan gelangen sollte, wenn ich einmal da war. Mit etwas Glück war der Kutscher anderswo, bei seinen Pferden vielleicht, und würde nicht merken, wie ich auf seinen Heuboden kletterte …
    Dann hörte ich ein Geräusch hinter mir und wusste, noch bevor ich mich umdrehte, dass ich nicht allein war. Da stand Rufus, nur ein paar Schritt entfernt, und obwohl er sich sehr beeilt haben musste, um hinter mir herzukommen, sah er nicht aus, als ob er gerannt wäre. Er erwiderte meinen Blick und nickte mir zu – er wirkte nicht im Geringsten ertappt und versuchte auch nicht, seine Anwesenheit zu verheimlichen.
    »Ich sehe, du hast dich abgekühlt, Mädchen«, sagte er mit leichtem Lächeln. »Und nun, was hast du vor? Möchtest du nicht ins Haus zurückkommen?«
    Ich starrte ihn an, zornig und gleichzeitig erleichtert, dass er mich mitten auf der Wiese abgefangen hatte und nicht beim Versuch, ins Kutscherhaus einzubrechen. Dass ich Alan einmal ans Messer geliefert hatte, mochte ja noch angehen, und im Nachhinein hatte er das auch verdient, aber ein zweites Mal musste wirklich nicht sein. »Ich …«, fing ich an, und weil ich keinen Grund hatte, mich zu entschuldigen, fuhr ich ihn an: »Sehen Sie nicht, dass ich allein sein will?«
    Rufus lachte und reichte mir seine Hand. »Ich denke, wir sind uns beide einig, dass du das gerade jetzt nicht sein solltest. Du wirst mich zurückbegleiten.«
    »Und was, wenn nicht?«, fauchte ich. »Werden Sie es mir wieder befehlen?«
    »Nein«, sagte Rufus sanft. »Ich will mit dir reden, sonst nichts.«
    Ich durfte mich nicht zu sehr sperren. Wenn Rufus den Verdacht schöpfte, dass ich schon jemand anderen zum Reden hatte, war nichts gewonnen. So seufzte ich. »Wie Sie wollen«, sagte ich. Aber die angebotene Hand ignorierte ich. Ich würde nicht Händchenhalten mit einem Mann, der mich gerade noch gezwungen hatte, eine lebende Seele zu verbrennen.
    Ich hatte erwartet, dass mich Rufus wieder mit in die Bibliothek nehmen würde, aber stattdessen führte er mich in ein deutlich kleineres Zimmer auf der anderen Seite des Hauses, das ich noch nicht kannte: ein Studierzimmer, hinter dem Dienstbotentreppenhaus gelegen, wo es deutlich weniger herrschaftliche Bücherregale gab und dafür einen mächtigen Schreibtisch, der aussah, als ob an ihm wirklich gearbeitet wurde. Der Geruch von Tabakrauch lag in der Luft, doch ich konnte nicht sagen, ob er frisch war oder noch aus früheren Zeiten in den Möbeln und Vorhängen hing. Ich hatte Rufus nie rauchen sehen und konnte es mir bei einer Fee auch nur schlecht vorstellen. Rufus setzte sich an den Schreibtisch und zeigte auf den Stuhl gegenüber, wo er sonst vielleicht mit Mr. Trent Geschäftliches besprach. »Setz dich, Mädchen.«
    Aber meine letzte Höflichkeit war verflogen. »Nennen Sie mich nicht immer so!«, schnaubte ich. »Ich habe einen Namen!«
    »So?«, fragte Rufus amüsiert. »Aber du kennst ihn nicht, das ist es doch. Warum sollte ich dich mit Florence anreden, wenn wir beide wissen, dass du so nicht heißt?«
    »Weil es besser ist als gar kein Name«, erwiderte ich. »Besser als › Mädchen ‹ … Fee!«
    »Wie du willst«, sagte Rufus. »Solange du meinen wahren Namen nicht kennst, kannst du mich nennen, wie du willst. Ich möchte dich nur bitten, in der Öffentlichkeit

Weitere Kostenlose Bücher