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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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haben die Bibliothek, hier kannst du nach Herzenslust stöbern, aber selbstverständlich bleiben die Bücher hier.« Doch dann tat sie mir den größten Gefallen überhaupt, selbst wenn ihr das vermutlich nicht bewusst war: Sie trat beiseite und ließ ihren Blick über das Bücherregal schweifen. Schnell wie der Blitz war ich auf den Beinen und flitzte zur Tür.
    »Ich werde mich dann frisch machen«, rief ich noch über meine Schulter. »Auf Wiedersehen, Madam.« Und dann war ich fort, ohne eine Antwort abzuwarten. Wenn Violet mich dafür am nächsten Tag beim Frühstück schelten wollte, sollte sie das tun, es würde nur halb so viel Schelte sein wie für ein ruiniertes Kleid. Ich hetzte die Treppen hinauf, ganz und gar undamenhaft, aber ich hatte es eilig, in mein Zimmer zu kommen. Umziehen, und dann hinunter zum Essen …
    Inzwischen hatte ich ein wenig Erfahrung mit diesem Kleid, und ich wusste, wie ich hineinkam und wieder hinaus. So verlor ich zumindest durch das Umziehen nicht viel Zeit. Und hatte ich erst noch darüber gelacht, dass man mir dreimal das gleiche Kleid hatte nähen lassen, rettete mir das nun meinen süßen kleinen Hals. Nur leicht abgehetzt und kaum verschwitzt kam ich die Kellertreppe hinunter, noch bevor es sechs Uhr war – zumindest hoffte ich das, denn ich hatte nichts schlagen gehört, und eine eigene Uhr besaß ich nicht. Eigentlich brauchte ich einen Wecker. Ich nahm mir vor, vorsichtig bei der Haushälterin danach zu fragen, und nach einer Schürze. Auch wenn ich der Frau immer noch nicht persönlich begegnet war, sie sollte daran interessiert sein, dass man in Hollyhock pünktlich antanzte, und wenn sie von dem Schlag war, den ich erwartete, war ein Mädchen ohne Schürze für sie undenkbar.
    Während ich durch den unteren Flur irrte, unsicher, wo ich hingehen sollte, hoffte ich insgeheim, wieder Alan über den Weg zu laufen. Aber der Platz unter der Treppe war verlassen, und nichts deutete mehr darauf hin, dass dort jemals ein Bett gestanden hatte, in dem ein junger Bursche Platz finden konnte. Erst als ich den zusammengefalteten Wandschirm in einer Ecke stehen sah, wusste ich, dass ich die Begegnung nicht geträumt hatte. Das Bett musste zusammengeklappt in dem großen Schrank verschwunden sein.
    Nach einigem Zögern wagte ich mich in die Küche. Ich konnte lange nach dem Speisezimmer des Personals suchen, falls es so etwas gab; in der Küche war ich wenigstens schon einmal gewesen. Wieder sah ich die ruppige rotgesichtige Köchin und die Küchenmagd, deren Namen ich noch nicht kannte – Lucy hingegen war nicht da, aber als Scheuermagd hatte sie auch Arbeit im Rest des Hauses zu verrichten.
    »Ja? Was willst du?«, schnauzte die Köchin mich an.
    Ich schluckte. »Ich wollte fragen, wann es das Abendessen gibt«, sagte ich.
    »Ach? Geht’s den Herrschaften nicht schnell genug? Schicken sie ihre kleine Schnüffelnase runter, ob wir auch schnell genug sind?« Und ich hatte schon unsere Mrs. Hubert für unfreundlich gehalten! Barsches Auftreten, Murren und Schimpfen mussten Köchinnen wohl schon während der Lehre eingetrichtert werden.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich frage wegen mir, ich soll hier mit Ihnen und dem restlichen Personal essen.«
    »Ha!«, machte die Köchin, und: »So!«, und dann lachte sie schallend.
    »Was geht hier vor?«, fragte eine strenge Stimme hinter mir, weiblich und schon vom Klang her das Gegenstück zum Butler. Endlich lernte ich die Haushälterin kennen. Ich drehte mich um und knickste.
    »Entschuldigung, Ma’am, wir sind uns noch nicht begegnet. Ich bin Florence, das neue Mädchen. Mir wurde gesagt, ich soll mit dem Personal zu Abend essen.«
    Die Haushälterin – ihr Name war Mrs. Arden, wie ich mich nun erinnerte – blickte an mir hinunter. Ihr fehlte Mr. Trents Brille, aber sie sah aus, als ob sie eine gebrauchen könnte – nicht, um besser zu sehen, aber um mich über den Rand hinweg noch strenger anblicken zu können. Sie war eine hagere, ältliche Person mit adrettem Häubchen über dem Haar, das irgendwo auf dem Weg von blond zu grau war. Ihr Kleid war schwarz, was ihren Status noch unterstrich. »Nun, Florence«, sie sprach den Namen englisch aus, als ob es so etwas Schnörkeliges wie Französisch bei ihr nicht gab, »da bist du aber reichlich spät.«
    »Oh«, sagte ich. »Das tut mir leid, ich wusste nicht, wann es das Essen geben sollte. Haben Sie auf mich gewartet?«
    Kein Lächeln erhellte die strengen Züge. »In diesem Fall

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