Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
abhob. Sie hörte sich furchtbar an. »Was soll das alles«, sagte sie, nachdem Frank seinen Namen genannt hatte. »Warum tut jemand so was? Denkst du, wir haben das verdient? Bekommen wir jetzt vielleicht die Strafe für damals? Was, wenn Festus es selbst ist? Wenn er sich rächen möchte? Wenn er wieder …«
»Manuela, du weißt doch, dass das nicht sein kann. Nein, entweder hat das damals doch jemand mitbekommen, oder einer von uns hat geredet.«
»Aber wenn es damals schon jemand mitbekommen hätte, warum sollte er dann gerade jetzt … ich meine, warum nicht schon früher?«
Frank hob die freie Hand und ließ sie auf die Schreibtischplatte fallen. »Ich weiß es doch auch nicht. Vielleicht braucht derjenige jetzt Geld? Oder er hat es jemand anderem weitererzählt, der uns mit seinem Wissen erpressen will.«
»Und deswegen jemanden umbringt? So?«
Damit hatte sie natürlich recht, und Frank spürte, wie er immer unruhiger wurde, weil es einfach keine logische Erklärung zu geben schien. »Darum müssen wir da hin, Manuela. Jens fährt mit mir. Soll ich dich auch mitnehmen?«
»Nein, ich wohne in Saarburg.« Das lag 20 Kilometer in der entgegengesetzten Richtung. »Ich fahre selbst.«
»Gut, dann bis nachher.« Frank beendete das Gespräch und blieb noch einen Moment reglos am Schreibtisch sitzen. Von irgendwo hörte er ein gedämpftes, kratzendes Geräusch. Es klang wie … Ratten.
7
Frank brauchte eine Viertelstunde bis Schweich. Er hatte einen Zettel für Beate auf dem Küchentisch hinterlassen, auf dem er sie erneut anlog. Er hasste das, doch es war nicht zu ändern. Er hatte von einem kurzfristigen, aber wichtigen Kundentermin geschrieben und dass er nicht wisse, wie lange er weg sei. Es könne etwas später werden. Frank hoffte, dass dieser Albtraum ein für alle Mal vorbei sein würde, wenn er am Abend wieder nach Hause kam.
Als er vor dem Haus an der angegebenen Adresse hielt und die Tür sich öffnete, noch bevor er den Sicherheitsgurt gelöst hatte, blieb er sitzen und betrachtete durch die Seitenscheibe den schlanken, fast schon dürren Mann, der da auf ihn zukam. Er trug das etwas längere, kupferrote Deckhaar an der Seite gescheitelt, genauso wie er es schon dreißig Jahre zuvor getan hatte. Als er näher kam, konnte Frank auch die vielen Sommersprossen sehen, die das ganze Gesicht und die nackten, sehnigen Arme bedeckten, die unter dem T-Shirt herausschauten. Jens blieb neben der Beifahrertür stehen, bückte sich und schaute durch das Fenster ins Wageninnere. In seinen Augen lag noch genau wie damals ein Hauch von Melancholie. Vor fast 30 Jahren hatte Frank das nicht beim Namen nennen können, er hatte nur bemerkt, dass Jens immer ein wenig traurig gewirkt hatte.
Es war fast unheimlich, aber Frank blickte in das sommersprossige Gesicht des dreizehnjährigen Jens, in das jemand ein paar Fältchen gedrückt hatte.
Er bedeutete ihm, er solle einsteigen, und nachdem Jens seine dünne Jacke auf den Rücksitz geworfen hatte, ließ er sich auf den Beifahrersitz fallen. Sie sahen sich eine Weile einfach nur an, bis Jens ihm schließlich die Hand hinhielt und sagte: »Schön, dich wiederzusehen, Fränkie.«
Fränkie. Seit damals hatte ihn niemand mehr so genannt, und auch zuvor am Telefon hatten beide sich mit ihren richtigen Namen angesprochen. Doch jetzt, wo sie sich wieder in die Augen sahen, erschien es auch ihm ganz selbstverständlich, dass Jens ihn so anredete. Frank schlug ein und sagte: »Ja, Kupfer, nur der Anlass, der ist alles andere als schön.«
Ohne weitere Umschweife startete er den Motor und fuhr los.
Sie erreichten Urft um kurz vor halb fünf. Das Navigationsgerät hatte sie an einen Weg gelotst, der von der Straße aus schräg nach oben in ein Waldstück führte. Den Rest des Weges würden sie zu Fuß zurücklegen müssen. Frank parkte den Audi neben einem Glascontainer. Jens nahm seine Jacke vom Rücksitz, und Frank holte ein Sweatshirt aus dem Kofferraum, das neben einem Schirm dort immer in einem Seitennetz lag, und hängte es sich locker über die Schultern. Dann machten sie sich auf den Weg.
Der Pfad war kaum breiter als zwei Meter. Die Grasnarbe in der Mitte und die schmalen, ausgetretenen Spuren links und rechts vermittelten den Eindruck, dass hier ab und an Autos fuhren, wobei Frank sich das nur schwer vorstellen konnte.
Die Blätter der Bäume zu beiden Seiten vereinigten sich über dem Weg zu einem grünen Dach, durch die kleinen Lücken drangen die
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