Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
nicht?«
»Daran möchte ich lieber nicht denken.«
Manuela strich mit einem Finger über das Telefon, das vor ihr auf dem Tisch lag und ihnen als einzige schwache Lichtquelle geblieben war. Dann nahm sie es in die Hand und schaltete die Beleuchtung aus. Sofort legte sich eine undurchdringliche Schwärze über den Raum. »Ich muss meinen Akku schonen, sonst haben wir nachher gar kein Licht mehr.«
Es war stockdunkel, und für Frank fühlte es sich so an, als sei sein Kopf mit einem lichtundurchlässigen schwarzen Tuch umwickelt. Als neben ihm ein schabendes Geräusch zu hören war, schrak er auf.
»Ich mach die Tür auf«, hörte er Manuela neben sich sagen. »Vielleicht kommt noch ein wenig Licht vom Flur herein.«
Tatsächlich drang ein Hauch grünlichen Schimmers in den Raum, nachdem Manuela die Tür geöffnet hatte. Er reichte nicht aus, ihr Gesicht zu erkennen, als sie wieder neben ihm saß, aber zumindest ihre Konturen konnte er erahnen.
»Ich glaube nicht, dass Torsten es sich anders überlegt. Er war doch von Anfang an gegen alles und jeden«, knüpfte sie an ihre Unterhaltung an.
»Trotzdem. Er kann doch nicht ernsthaft glauben, dass zwei von uns mit diesem Psychopathen unter einer Decke stecken.«
Sie schwiegen, bis Manuela plötzlich völlig unvermittelt fragte: »Wie war es danach eigentlich für dich? Ich meine, nach dieser Sache damals. Hast du oft an Festus gedacht?«
»Ich habe jeden einzelnen Tag an Festus gedacht.«
»Ja, ich auch. Denkst du auch, wir hätten nicht weglaufen dürfen?«
Frank ließ sich mit der Antwort Zeit. »Es lässt sich leider nicht mehr ändern, und es macht das Ganze nicht besser, wenn man sich sagt, was man hätte tun sollen und was nicht. Das Einzige, was zählt, ist, was wir tatsächlich getan haben.«
»Und das war falsch. Wenn wir da reingegangen wären und ihn gefunden hätten, selbst, wenn er da schon tot war, dann wüssten wir heute wenigstens, dass wir ihm nicht mehr hätten helfen können. Aber so … ich muss immer daran denken, dass er vielleicht noch gelebt hat und irgendwo eingeklemmt war. Und wir sind einfach weggelaufen.«
»Ja«, sagte Frank leise. »Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass er es überlebt hat, wenn er tatsächlich auf dem Dach war, als es eingestürzt ist.«
»Hast du jemals mit jemandem darüber gesprochen?«
»Nein.«
Sie schürzte die Unterlippe. »Auch nicht mit einem Arzt? Einem Psychiater?«
»Nein, auch nicht. Du?« Sie schüttelte hastig den Kopf.
»Das wirkt ehrlich gesagt nicht sehr überzeugend.« Frank glaubte zu erkennen, dass sie auf den Tisch vor sich starrte.
»Du hast recht. Ich … war in psychotherapeutischer Behandlung. Da war ich gerade achtzehn. Meine Eltern hatten darauf bestanden, wegen meiner schlimmen Albträume und weil sie der Meinung waren, dass ich mich seltsam benahm. Sie wussten ja nichts von der Sache mit Festus. Dieser Therapeut hat mich in Hypnose versetzt, um herauszufinden, was mit mir los ist.«
»Und?«, hakte Frank ungeduldig nach, als eine längere Pause entstand. »Hast du ihm von Festus erzählt?«
»Ich weiß nicht, ob ich ihm davon erzählt habe. Er hat Festus anschließend nicht erwähnt, nur, dass ich wohl traumatische Erlebnisse gehabt hätte, die zu meinen Albträumen führten. Ich konnte ihn ja schlecht danach fragen.«
»Hm …«, machte Frank. »Seltsam. Und dann?«
»Er hat mir pflanzliche Medikamente verschrieben und wollte gleich mehrere Termine mit mir vereinbaren, aber ich bin nicht mehr hingegangen.«
Franks Verstand arbeitete auf Hochtouren. Es gab also vielleicht noch jemanden, den er nicht kannte, der von der Sache mit Festus wusste. War das der Schlüssel zu all dem? Aber welchen Grund sollte ein Psychotherapeut haben, dieses abartige Spiel mit ihnen zu inszenieren?
»Wer war dieser Therapeut?«
»Ich habe seinen Namen vergessen. Er hatte seine Praxis damals im Saarland, in Merzig.«
»Denkst du, dieser Mann könnte hinter der ganzen Sache hier stecken?«
»Das ist eher unwahrscheinlich. Er war damals um die 60 , er müsste heute also fast 90 sein.«
Frank wusste nicht, ob ihn diese Information nun beruhigte oder noch nachdenklicher stimmte. Zumindest schien sein spontaner Verdacht sich als falsch herauszustellen.
»Frank?« Manuela beugte sich vor. »Bitte sei ehrlich: Spielst du falsch? Weißt du mehr als ich?«
»Nein.«
»Gut, das wollte ich nur wissen.«
Ein Geräusch, das durch die offene Tür zu ihnen hereindrang, ließ Frank aufhorchen.
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