Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
Auch Fozzie lässt sein Fahrrad einfach zur Seite kippen und reibt sich mit der flachen Hand mehrmals über die zu kurzen Stoppeln geschnittenen Haare. Das tut er immer, wenn er aufgeregt ist. »Der … der hat das wirklich gemacht.«
»Ja«, sagt Fränkie mit monotoner Stimme. »Er hat es getan. Und dann ist er nicht mehr nach Hause gegangen.«
Sekunden vergehen, fünf, zehn …
»Wenn ihm was passiert ist …« Alle schauen zu Manu, die ihren Blick nicht von der Fahne abwenden kann. »Dann sind wir schuld.«
»Was soll dem denn passiert sein? Du siehst doch die Fahne da oben. Es hat geklappt.« Es klingt nicht so überzeugt, wie Fozzie das sicher gerne gehabt hätte.
»Sollen wir mal hinfahren?«, schlägt Kupfer vor. »Vielleicht sitzt er im Hauptquartier und wartet auf uns.«
Fozzies Gesicht hellt sich schlagartig auf. »Genau. Mensch, Kupfer, manchmal hast du richtig gute Einfälle.« Sein Kopf fliegt herum, er sieht Fränkie an. »Kupfer hat recht. Festus hat die Mutprobe gemacht, und jetzt sitzt er im Hauptquartier und wartet auf uns, weil er denkt, wir würden ihn aufnehmen. So dämlich ist der doch. Ihr wisst schon: Zweifünf.«
»Was meinst du damit: Er denkt, wir würden ihn jetzt aufnehmen?«
»Ach komm, Fränkie.« Torsten stößt ein kurzes Lachen aus und schüttelt den Kopf. »Du willst diesen Schwachkopf doch nicht wirklich dabeihaben?«
Als Fränkie nicht antwortet, tut Manu es für ihn. »Klar nehmen wir ihn auf. Er hat die Mutprobe bestanden, die
du
ihm gestellt hast.«
»Zuerst fahren wir mal rüber und sehen nach, ob er wirklich auf uns wartet. Los.« Fränkie hebt sein Fahrrad auf und schwingt sich auf den Sattel. Er braucht sich nicht umzudrehen, er hört, dass die anderen ihm folgen.
Wie immer verstecken sie ihre Räder hinter einem Gestrüpp, nur ein paar Meter von der Stelle entfernt, an der sie die Bretter vor einem glaslosen Fensterrahmen entfernt haben und die sie als Eingang benutzen. Fozzie steigt als Erster hindurch, Fränkie ist gleich hinter ihm. Er muss außen auf einen etwa einen Meter hohen Vorsprung steigen, dann bückt er sich, um unter dem Fensterrahmen hindurchzuschlüpfen. »Scheiße«, stößt Fozzie vor ihm aus und lässt Fränkie mitten in der Bewegung innehalten. »O Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
Fränkie geht in die Hocke, er kann nichts sehen, weil Fozzie direkt vor ihm auf der Innenbrüstung des Fensters steht. »Was? Was ist los?«, fragt Kupfer nervös von außen.
»Ich weiß doch auch nicht.« Fränkie ist aufgeregt, etwas sagt ihm, dass sie ein Problem haben. Ein großes Problem. »Fozzie, nun sag schon, was ist los?«
Fozzie rückt etwas zur Seite, nun kann Fränkie sich ein kleines Stück weiter nach vorne schieben, über den Rahmen, mit einem Fuß auf die Innenbrüstung, und dann sieht auch er es.
Das Innere der Halle sieht komplett anders aus als noch am Vortag. Es ist heller als sonst, und mit einem Blick nach oben stellt Fränkie fest, dass nur noch das halbe Dach übrig ist. Der Boden vor ihnen ist mit Ziegeln, Latten und dicken zerbrochenen Balken übersät. Zumindest an den Stellen, an denen der Boden noch intakt ist. An vielen Stellen jedoch ist er eingebrochen und hat große, unregelmäßige Löcher hinterlassen, an deren ausgefransten Rändern abgesplitterte Bruchstellen fauler Holzbohlen zwischen krümeligem Mörtel ins Nichts ragen. Es gab auch vorher schon einige Stellen, an denen der Boden größere Löcher hatte, aber das ist kein Vergleich zu jetzt. Jetzt sieht es dort aus wie nach einem Bombenangriff. Fränkie weiß von einigen vorsichtigen Erkundungsgängen, die sie unternommen hatten, dass es noch mehrere Untergeschosse gibt. Die waren aber schon damals größtenteils eingestürzt. Jetzt, nachdem ein Teil des Daches heruntergekracht ist, muss dort unten Chaos herrschen.
»O nein«, hört Fränkie Kupfer dicht an seinem Ohr. Er ist hinter ihm auf die Fensterbrüstung gestiegen und lugt an ihm vorbei ins Innere.
»Scheiße, das Dach ist runtergekommen und hat alles zertrümmert«, stellt Fozzie fest und macht Anstalten, sich umzudrehen. »Der ganze Boden ist eingekracht. Da geh ich nicht rein. Bin doch nicht lebensmüde.«
Er schiebt Fränkie ein Stück zur Seite und quetscht sich an ihm vorbei ins Freie. Jens und Fränkie folgen ihm.
Dann stehen sie im Kreis vor dem ehemaligen Eingang zu ihrem Hauptquartier, betrachten ihre Schuhspitzen, mit denen sie im Sand herumstochern, kratzen sich, obwohl nichts juckt, vergraben die
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