Das Rachespiel: Psychothriller (German Edition)
Waffe? Wie ist das möglich? Ich verstehe das nicht.«
»Ich habe sie selbst dort versteckt. An anderen Stellen gibt es auch noch welche. Zlatko hätte dich wahrscheinlich mit Jens zusammen erschossen, wenn ich nicht eingegriffen hätte. Er hätte sich von dir zu Jens führen lassen und dort erst einmal seinen ersten Versuch korrigiert und Jens endgültig umgebracht. Danach hätte er wohl dich erschossen. Das konnte ich nicht zulassen.«
»Zlatko? Woher kennst du den Namen von dem Kerl? Er hat doch Torsten geholfen, uns hier …«
Manuela stieß ein kurzes Lachen aus. »Torsten?« Ihr Blick wanderte zu Torstens Leiche hinüber. »Torsten ist ein Idiot. Er hat mit all dem nichts zu tun. Zlatko hat Torsten nicht geholfen, sondern mit mir zusammen dafür gesorgt, dass du ihn verdächtigst. Zum Beispiel indem er dafür gesorgt hat, dass Torsten Jens’ Handy findet, das er dir zuvor weggenommen hatte. Oder indem er mich angeblich
verschleppt
hat.
Nein, Zlatko hat nicht Torsten geholfen, sondern mir.«
Damals …
Manu
1
Als Manu mit dem Fahrrad nach Hause unterwegs ist, kann sie nicht aufhören zu weinen.
Kein Wort zu niemandem. Niemals. Das haben sie Fränkie gerade nachgesprochen und sich gegenseitig geschworen. Manu weiß nicht, wie sie das schaffen soll, wo sie doch jetzt schon an dem Wissen über die Schuld, die sie alle auf sich geladen haben, zu ersticken droht. Wie soll sie damit weiterleben?
Die Häuser ziehen links und rechts an ihr vorbei, als seien sie die Pappkulisse für einen Film, in dem sie ungewollt die Hauptrolle spielt. Alles um sie herum scheint nur Attrappe zu sein, während die Kamera auf sie gerichtet ist. Jeder wird ihr ansehen, dass sie etwas Fürchterliches getan hat.
Wenn sie nach Hause kommt, wird ihre Mama ihr in die Augen schauen und sie fragen, was sie angestellt hat. Wie soll sie ihre Mama anlügen, wenn die Lüge ihr schon ins Gesicht geschrieben steht, bevor sie sie ausgesprochen hat? Und was noch viel schlimmer ist: Wie soll sie sich selbst für den Rest ihres Lebens anlügen? Und sie wird sich anlügen müssen, wenn sie irgendwann ihren Frieden finden möchte. Sie wird sich immer und immer wieder sagen müssen, dass sie nichts dafür konnten, dass das Dach eingestürzt ist. Ja, vielleicht wird es ihr nach einiger Zeit sogar gelingen, sich das einzureden. Vielleicht.
Aber warum hat sie die anderen nicht überredet nachzusehen, ob Festus vielleicht irgendwo dort drinnen liegt? Eingeklemmt, verletzt, aber noch am Leben? Warum nicht?
Weil Fränkie es so bestimmt hat. Sie haben ihn für sie alle eine Entscheidung treffen lassen. Fränkie, ihren Anführer. »Das geht nicht«, sagt jemand, und Manu braucht einige Zeit, bis sie registriert, dass es ihre eigenen Worte waren, die sie gehört hat. Gegen den Fahrtwind gesprochen und vom Wind in ihre Ohren gedrückt, und gleichzeitig als Resonanz in ihrem Kopf.
Manu bremst so stark, dass das Hinterrad blockiert. Die Bewegung der Kulisse verzögert sich und erstarrt dann völlig. Es ist, als sei eine Glocke über Manu gestülpt worden, die sie von allem vollkommen isoliert. Um sie herum herrscht stille Bewegungslosigkeit. Sie bemerkt weder die Menschen auf den Gehwegen noch die wenigen Autos, die an ihr vorbeifahren. Die Worte, die sie gerade laut ausgesprochen hat … Ist es gerade gewesen? Oder war es vor zehn … vor zwanzig Minuten? Sie wollen nicht aufhören, in ihrem Kopf nachzuhallen. Ein unendliches Echo.
Das geht nicht.
Sie weiß nicht, wie lange sie dagestanden hat, als etwas sie aus ihrer Gedankenwelt herausreißt. Verwirrt blickt sie nach links, schaut dem Mann ins Gesicht, der in dem dunklen Auto sitzt, das dicht neben ihr auf der Straße steht. Er hat die Scheibe auf der Beifahrerseite heruntergekurbelt und sich ein Stück zu ihr herübergelehnt.
»Was ist los mit dir, Mädchen? Du kannst doch nicht einfach hier mitten auf der Straße stehen bleiben.«
O nein, denkt Manu und wendet sich schnell von dem Mann ab. Es geht schon los. Er hat gesehen, dass mit mir was nicht stimmt. Gleich wird er auch merken, dass ich etwas Schlimmes, etwas wirklich Schlimmes getan habe. Er wird mich vielleicht fragen, ob ich etwas mit dem Einsturz der alten Fabrik zu tun habe. Und ob ich weiß, wo Festus ist. Vielleicht ist er ja von der Polizei?
Ohne den Mann noch einmal anzusehen, wendet Manu ihr Fahrrad und tritt in die Pedale. Sie muss weg von diesem Mann, weg von dem Weg, der sie nach Hause zu ihrer Mutter führt. Zurück zur
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