Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
Stimmen über einem Becher Wein verhandelten, dazwischen vereinzelt wohlhabende Handwerker mit kostbaren Stickereien auf den bunten Hemden oder Kleidern. Sie bemerkte sie kaum. Nicht weniger als fünf Schwestern wohnten im Gasthaus – keine war ihr aus der Burg bekannt, wofür sie dem Licht dankte –, und alle saßen im Gemeinschaftsraum, als sie eintrat. Meister Helvin, der Wirt, schaffte stets Platz für eine Aes Sedai, auch wenn er andere Gäste auffordern musste zusammenzurücken.
Die Schwestern blieben jede für sich, nahmen voneinander kaum Notiz, und die Leute, die eine Aes Sedai früher nicht erkannt hätten, kannten sie jetzt und besaßen Verstand genug, sie nicht zu stören. An allen anderen Tischen herrschte dichtes Gedränge, aber wenn ein Mann bei einer Aes Sedai saß, dann war er ihr Behüter, ein Mann mit scharfem Blick und gefährlichem Aussehen, wie unscheinbar er auch sonst wirken mochte. Eine der Schwestern, die für sich saßen, war eine Rote, was Moiraine aber nur wusste, weil sie es zufällig gehört hatte. Nur Felaana Bevaine, eine schlanke blonde Braune in schlichter brauner Wolle, trug die Stola. Sie war die Erste gewesen, die Moiraine bei ihrer Ankunft angesprochen hatte. Natürlich hatten sie ihre Fähigkeiten wahrgenommen, als sie in ihre Nähe gekommen war.
Moiraine steckte die Handschuhe in den Gürtel, legte den Umhang über den Arm und ging zur Steintreppe im rückwärtigen Teil des Raumes. Nicht zu rasch, aber auch nicht zu langsam. Den Blick starr nach vorn gerichtet. Die Blicke der Schwestern, die ihr folgten, schienen wie eine Berührung von Fingern zu sein. Niemand sprach sie an. Sie hielten sie für eine Wilde, eine Frau, die allein auf sich gestellt gelernt hatte, die Macht zu lenken. Dieser glückliche Irrtum hatte sich durch einen Zufall ergeben, eine Fehleinschätzung von Felaanas Seite, aber er wurde durch die Anwesenheit einer echten Wilden im Gasthaus unterstrichen. Abgesehen von den Schwestern wusste niemand, was Frau Asher war. Viele Aes Sedai verabscheuten Wilde, betrachteten sie als Verlust für die Burg, aber nur wenige machten sich die Mühe, ihnen das Leben schwer zu machen. Frau Asher war eine Kauffrau in dunkelgrauer Wolle, die nur einen roten Emailleanstecker als Schmuck trug, und sie schlug den Blick nieder, wenn eine Schwester in ihre Richtung sah, aber sie hatten kein Interesse an ihr. Dafür sorgte schon ihr graues Haar.
Als Moiraine gerade die Treppe erreicht hatte, meldete sich unmittelbar hinter ihr eine Frau zu Wort. »Sieh an. Was für eine Überraschung!«
Moiraine drehte sich rasch um, behielt mühsam eine ausdruckslose Miene bei und machte den kurzen Knicks, der sich für eine unbedeutende Adlige vor einer Aes Sedai ziemte. Vor zwei Aes Sedai. Abgesehen von Sierin wäre es wohl kaum möglich gewesen, einem schlimmeren Paar als diesen beiden in ihren schlichten Seidengewändern zu begegnen.
Die weißen Strähnen in Larelle Tarsis langem Haar betonten ihre in sich ruhende, kupferhäutige Eleganz. Sie hatte Moiraine als Novizin wie auch als Aufgenommene in verschiedenen Klassen unterrichtet und besaß die Gabe, stets die Frage zu stellen, die man am wenigsten hören wollte. Aber was noch schlimmer war, bei der anderen handelte es sich um Merean. Sie zusammen zu sehen war eine Überraschung; Moiraine hätte nicht gedacht, dass sie sich besonders nahestanden.
Larelle war so stark wie Merean, was Ehrerbietung erforderte, aber sie befanden sich außerhalb der Burg. Sie hatten kein Recht, sich in das einzumischen, was auch immer sie hier machte. Aber wenn eine hier ein falsches Wort fallen ließ, sich unter den anderen Schwestern die Kunde verbreitete, dass Moiraine Damodred hier verkleidet herumlief, würde sich das so sicher zu den falschen Ohren herumsprechen, wie Pfirsiche giftig waren. Das war nun einmal der Lauf der Welt. Kurz darauf würde sie der Befehl, nach Tar Valon zurückzukehren, erreichen. Dem Amyrlin-Sitz einmal ungehorsam zu sein war schlimm genug. Beim zweiten Mal würde man vermutlich Schwestern ausschicken, um sie zurückzubringen. Sie öffnete den Mund in der Hoffnung, dieser Möglichkeit vorzubeugen, aber jemand anders kam ihr zuvor.
»Die müsst ihr nicht auf die Probe stellen«, sagte Felaana Bevaine und drehte sich an dem nahe stehenden Tisch um, an dem sie allein saß. Sie hatte konzentriert etwas in ein kleines ledergebundenes Buch geschrieben, und ausgerechnet auf ihrer Nasenspitze war ein Tintenfleck. »Sagt, sie hat
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