Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
verspeiste sie Lederriemen zum Frühstück.« Diese unmöglich roten Locken schwangen hin und her, als sie den Kopf schüttelte. »Na ja, das ist nun vorbei. Die Ajah bekämpfen sich jetzt also gegenseitig, oder? Nur so lässt sich das alles erklären – meine Befehle und die Dämpfung dieses alten Geiers. Die Burg ist gespalten, und die Blauen laufen davon.«
Siuan knirschte mit den Zähnen. Sie versuchte mit aller Gewalt, sich einzureden, dass diese Frau den Blauen Ajah gegenüber loyal sei, wenn das auch nicht ihr selbst galt, aber es half nicht. Alter Geier? Sie ist alt genug, um meine Mutter zu sein. Aber wenn sie das wäre, würde ich ins Wasser gehen. Mit Mühe brachte sie es fertig, demütig zu klingen: »Meine Botschaft ist wichtig. Ich muss mich so schnell wie möglich auf den Weg machen. Könnt Ihr mir helfen?«
»Wichtig, ja? Also, das möchte ich ja bezweifeln. Das Dumme ist bloß, dass ich Euch wohl etwas sagen kann, aber die Bedeutung müsst Ihr selber herausfinden. Wollt Ihr es hören?« Die Frau wollte ihr die Sache nicht einfacher machen.
»Ja, bitte!«
»Sallie Daera. Ich weiß nicht, wer sie ist oder war, aber man befahl mir, jeder Blauen, die herkam und verloren wirkte, wenn man so sagen will, diesen Namen zu nennen. Ihr seid vielleicht keine der Schwestern, aber Ihr tragt die Nase hoch genug dafür, also sollt Ihr es wissen. Sallie Daera. Macht daraus, was Ihr wollt.«
Siuan unterdrückte einen Schauer der Erregung und bemühte sich, enttäuscht zu wirken. »Ich habe auch noch nie von ihr gehört. Ich muss wohl einfach weitersuchen.«
»Wenn Ihr sie findet, sagt Aeldene Sedai, dass ich weiterhin loyal bleibe, gleich, was geschieht. Ich habe so lange schon für die Blauen gearbeitet, dass ich gar nicht wüsste, was ich sonst anfangen sollte.«
»Das richte ich ihr aus«, sagte Siuan. Sie hatte nicht gewusst, dass Aeldene sie ersetzt hatte und nun die Augen-und-Ohren der Blauen leitete. Die Amyrlin gehörte ja unabhängig von ihrer ursprünglichen Ajah keiner der Parteien mehr an. »Ich schätze, Ihr braucht einen Grund, warum Ihr mich nicht einstellt. Ich kann wirklich nicht singen. Das sollte doch reichen.«
»Als ob das für diese Kerle draußen eine Rolle spielte.« Die große Frau zog eine Augenbraue hoch und grinste auf eine Weise, die Siuan gar nicht gefiel. »Ich werde mir etwas einfallen lassen, mein Frauenzimmerchen. Und ich werde Euch einen Rat geben: Wenn Ihr nicht ein wenig von Eurem hohen Ross herunterkommt, wird Euch irgendwann eine Aes Sedai zurechtstutzen. Es überrascht mich, dass das noch nicht geschehen ist. Jetzt geht aber. Raus hier.«
Fürchterliche Frau, grollte Siuan innerlich. Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, würde ich sie zum Strafdienst verdonnern, bis sie nicht mehr kann! Die Frau glaubte, dass man ihr mehr Respekt entgegenbringen müsse, ja? »Danke für Eure Hilfe«, sagte sie kühl und vollführte einen Knicks, der jeder Hofdame Ehre gemacht hätte. »Ihr wart zu gnädig.«
Sie befand sich drei Schritte weit im Schankraum, als Frau Tharne hinter ihr erschien und laut lachend durch den Lärm schrie: »Eine schüchterne Maid, die da! Beine, die weiß und schlank genug sind, um Euch alle zum Lechzen zu bringen, und sie jammerte wie eine Jungfrau, als ich ihr sagte, sie müsse sie Euch auch zeigen! Setzte sich einfach auf den Fußboden und heulte! Und das bei den runden Hüften und …!«
Siuan stolperte, als eine Welle des Gelächters über sie hereinbrach, was aber die Stimme der Frau keineswegs zum Schweigen brachte. Mit puterrotem Gesicht brachte sie noch drei Schritte fertig, aber dann rannte sie fluchtartig aus dem Raum.
Auf der Straße blieb sie erst einmal stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Ihr Herzschlag beruhigte sich langsam. Diese schreckliche alte Vettel! Ich sollte …! Es spielte keine Rolle, was sie tun sollte; diese widerliche Frau hatte ihr alles gesagt, was sie benötigte. Nicht Sallie Daera allerdings, denn das war überhaupt keine Frau. Nur eine Blaue konnte das wissen oder auch nur vermuten. Salidar. Der Geburtsort von Deane Aryman, der Blauen Schwester, die als Nachfolgerin von Bonwhin Amyrlin geworden war und die Burg vor dem Ruin gerettet hatte, auf den Bonwhin sie zugesteuert hatte. Salidar. Einer der letzten Orte, an denen man nach einer Aes Sedai suchen würde, außer vielleicht in Amadicia.
Zwei Männer in schneeweißen Umhängen und auf Hochglanz polierten Rüstungen ritten die Straße entlang auf sie zu. Nur zögernd
Weitere Kostenlose Bücher