Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
Kleid mit tiefem Ausschnitt würde er dich bestimmt bemerken. Du hast doch mehr vorzuzeigen als Leane, und sie … Hör auf damit!
»Wir müssen nach Süden«, sagte plötzlich Siuan an ihrer Seite, und Min fuhr gehörig zusammen. Sie hatte die andere nicht hereinkommen sehen. »Und zwar sofort.« Siuans blaue Augen glänzten. Offensichtlich hatte sie etwas in Erfahrung gebracht. Ob sie es ihr anvertrauen würde, stand auf einem anderen Blatt. Die Frau schien sich die meiste Zeit über immer noch für die Amyrlin zu halten.
»Wir können aber vor Sonnenuntergang keinen anderen Ort mit einer Schenke erreichen«, sagte Min. »Genauso gut können wir uns hier für heute Zimmer suchen.« Es war so angenehm, wieder in einem Bett zu schlafen, statt unter Hecken und in Heustadeln, auch wenn sie ein Bett zwischendurch meist mit Siuan und Leane teilen musste. Logain war ja gewillt, ihnen Einzelzimmer zu beschaffen, aber Siuan war selbst dann noch geizig, wenn Logain das Geld verwaltete.
Siuan sah sich um, aber jeder im Raum, der nicht gerade Leane anstarrte, lauschte der Sängerin. »Das ist nicht möglich. Ich … ich glaube, dass vielleicht ein paar Weißmäntel nach mir fragen könnten.«
Min pfiff leise durch die Zähne. »Das wird Dalyn nicht gerade gefallen.«
»Dann erzählt es ihm nicht.« Siuan schüttelte den Kopf, als sie die Versammlung um Leane bemerkte. »Sagt lediglich Amaena, dass wir gehen müssen. Er kommt schon nach. Hoffentlich kommen aber nicht all die anderen auch mit.«
Min grinste. Siuan behauptete zwar, es sei ihr gleich, dass Logain – Dalyn – die Führung übernommen hatte, und tat, als ob nichts sei, wenn sie wieder einmal vergeblich versuchte, ihn dazu zu bringen, ihr zu folgen; doch sie war immer noch entschlossen, ihn wieder unter Kontrolle zu bringen.
»Was ist eigentlich ein Neunergespann?«, fragte Min im Aufstehen. Sie war zuvor kurz hinausgegangen, um vielleicht irgendwo eine Andeutung zu entdecken, aber das Schild über der Tür trug lediglich diesen Namen. »Ich habe Achtergespanne gesehen und Zehner, aber niemals eines mit neun Pferden.«
»In dieser Stadt«, sagte Siuan knapp, »ist es besser, keine Fragen zu stellen.« Jedoch begannen dabei ihre Wangen zu glühen, sodass Min glaubte, sie wisse durchaus Bescheid. »Geht und holt sie herbei. Wir haben einen langen Weg vor uns und dürfen keine Zeit verlieren. Und lasst die anderen nicht hören, was Ihr ihnen mitteilt.«
Min schnaubte leise. Solange Leane derart lächelte, würde keiner der Männer sie überhaupt bemerken. Sie hätte zu gern gewusst, wie Siuan die Aufmerksamkeit der Weißmäntel erregt hatte. Das war nun wirklich das Letzte, was sie brauchen konnten, und es sah Siuan überhaupt nicht ähnlich, Fehler zu begehen. Sie hätte auch zu gern gewusst, wie sie Rand dazu bringen könnte, sie so anzusehen, wie diese Männer Leane anstarren. Wenn sie schon die ganze Nacht durch reiten mussten, und sie fürchtete, es werde darauf hinauslaufen, dann würde ihr Leane vielleicht doch ein paar Tipps geben.
KAPITEL 12
Eine alte Pfeife
E in Windstoß wirbelte Staub über die schmutzige Straße in Lugard und erfasste auch Gareth Brynes Samthut. Er wurde ihm vom Kopf gefegt und rollte direkt unter einen der schwerfällig heranrumpelnden Planwagen. Ein eisenbereiftes Rad zermalmte den Hut und walzte ihn in den harten Lehmbelag der Straße. Zurück blieb nur ein platter, schmutziger, zerfetzter Rest. Einen Augenblick lang stand er da und betrachtete die Überbleibsel, und dann ging er weiter. Er war ja nicht mehr der neueste, sagte er sich. Auch sein seidener Kurzmantel war schon ganz verstaubt gewesen, bevor sie Murandy erreichten. Bürsten half da nicht mehr, falls er sich überhaupt die Mühe machte. Er wirkte jetzt eher braun als grau. Vielleicht sollte er ohnehin etwas Einfacheres kaufen, denn schließlich war er ja nicht auf dem Weg zu einem Ball. Er schlüpfte zwischen den Wagen hindurch, die die ausgefahrene Straße entlangrollten, überhörte die Flüche der Fahrer, die ihm folgten – jeder anständige Soldat konnte noch im Schlaf besser fluchen –, und flüchtete schließlich in eine Schenke mit rotem Dach, die sich Zum Kutschbock nannte. Das Bild auf dem Schild interpretierte den Namen allerdings auf ganz eigene und äußerst zweideutige Art und Weise.
Der Schankraum glich jedem anderen, den er in Lugard gesehen hatte. Wagenlenker und Leibwächter oder Begleitsoldaten saßen dichtgedrängt neben Stallburschen,
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