Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)
galten nicht für sie. Sie hatte von klein auf einiges über die Bräuche und Gesetze anderer Länder lernen müssen, was ihr jetzt manchmal zugute kam.
Auch abgeerntete Felder waren wie braune Flecken auf einem sonst grünen Tuch auf den fernen Hügeln zu sehen. Die dort arbeitenden Menschen kamen ihr wie Ameisen vor. Alles wirkte ausgetrocknet; ein Blitz könnte ein Feuer entflammen, das auf viele Wegstunden alles vernichten würde. Doch Blitze bedeuteten im Allgemeinen auch Regen, und dafür waren die wenigen Wolken zu hoch. Gelangweilt stellte sie sich vor, sie könne Regen erzeugen. Sie hatte ja schon eine ganze Menge darüber gelernt, wie man das Wetter beeinflusste. Trotzdem war es sehr schwierig, wenn die Voraussetzungen fehlten.
»Langweilt sich meine Lady?«, fragte Nynaeve beißend. »So, wie meine Lady die Landschaft anblickt – so richtig von oben herab –, glaube ich, meine Lady möchte lieber etwas schneller vorankommen.« Sie fasste hoch über ihren Kopf, zog eine kleine Klappe auf und schrie: »Schneller, Thom. Widersprecht mir nicht! Ihr haltet auch den Mund, Juilin Diebefänger! Schneller, habe ich gesagt!«
Die Holzklappe knallte zu, aber Elayne konnte immer noch vernehmen, wie Thom laut grollte. Wahrscheinlich fluchte er kräftig. Nynaeve hatte schon den ganzen Tag über die Männer in diesem Ton angefahren. Einen Augenblick später knallte seine Peitsche, und die Kutsche rumpelte noch schneller dahin. Sie schaukelte so heftig, dass beide Frauen auf den goldfarbenen Seidenbezügen der Sitze auf und ab hüpften. Die Seide hatte man gründlich gereinigt, als Thom die Kutsche erwarb, doch die Polsterung selbst war alt und hart. Aber so sehr sie auch durchgeschüttelt wurde, die Kinnhaltung Nynaeves sagte deutlich aus, sie werde Thom keineswegs befehlen, wieder langsamer zu fahren, nachdem sie ihn einmal zum Schnellerfahren aufgefordert hatte.
»Bitte, Nynaeve«, sagte Elayne. »Ich …«
Die andere ließ sie gar nicht weiter zu Wort kommen. »Ist es meiner Lady unbequem? Ich weiß, dass Ladies an Bequemlichkeit gewöhnt sind. Eine arme Zofe kennt so etwas eben nicht. Aber sicher möchte meine Lady doch vor Anbruch der Dunkelheit den nächsten Ort erreichen? Damit die Zofe meiner Lady ihr das Abendessen servieren und ihr Bett bereiten kann?« Ihre Kiefer schlugen aufeinander, als sie hochgeworfen wurde und wieder auf das harte Polster zurückprallte. Daraufhin funkelte sie Elayne wütend an, als sei es ihre Schuld gewesen.
Elayne seufzte tief auf. Damals in Mardecin hatte Nynaeve alles eingesehen. Eine Lady reiste nie ohne ihre Zofe, und zwei Ladies würden normalerweise auch zwei Zofen dabeihaben. Dann müssten sie aber Thom oder Juilin – jedenfalls einen von beiden – in ein Frauenkleid stecken. Nynaeve hatte auch eingesehen, dass Elayne mehr davon verstand, wie sich eine Lady benahm. Sie hatte es sehr zartfühlend ausgedrückt, und Nynaeve wusste gewöhnlich recht genau, was der vernünftigste Weg war. Gewöhnlich. Aber das war in Frau Macuras Laden gewesen, nachdem sie den beiden Frauen ihr eigenes schreckliches Gebräu eingeflößt hatten.
Sie hatten Mardecin verlassen und waren bis Mitternacht durchgefahren, um schließlich ein kleines Dorf mit einer Schenke zu finden. Deren Wirt hatten sie aus dem Bett geworfen, damit er ihnen zwei enge Zimmer mit schmalen Betten herrichtete. Noch vor Sonnenaufgang waren sie aufgestanden, um weiterzufahren. Sie hatten ein paar Meilen entfernt Amador umgangen. Man würde keine von ihnen auf den ersten Blick für etwas anderes halten, als sie vorgeben wollten, doch sie fühlten sich alles andere als wohl bei dem Gedanken, eine Stadt voll von Weißmänteln durchfahren zu müssen. In Amador befand sich die Festung des Lichts. Elayne hatte wohl gehört, der König regiere Amadicia, doch in Wirklichkeit regierte Pedron Niall.
Die Schwierigkeiten hatten am letzten Abend begonnen, und zwar in einem Ort namens Bellon an einem schlammigen Flüsschen, das den stolzen Namen Gaeanfluss trug, etwa zwanzig Meilen abseits der Hauptstadt. Die Furtschenke in Bellon war größer als ihre erste Bleibe, und Frau Alfara, die Wirtin, bot Lady Morelin sogar ein eigenes Speisezimmer an. Das konnte Elayne wohl kaum abschlagen. Frau Alfara war der Überzeugung gewesen, dass nur die Zofe Lady Morelins, Nana, sie auch korrekt bedienen könne, denn Ladies wollten alles so haben, wie sie es gewohnt waren, und das sei ja auch ihr gutes Recht. Ihre eigenen Mädchen seien nicht
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