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Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)

Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 5. Das Original: Die Feuer des Himmels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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konnte. »Die Frage ist nur, ist er wirklich so loyal, wie es scheint, Lini? Ein einziger treuer Gardesoldat, obwohl alle anderen loyalen Männer weggeschickt wurden? Das erscheint mir plötzlich zu schön, um wahr zu sein.«
    »Er hat den neuen Eid abgelegt.« Morgase öffnete den Mund, doch Lini kam ihr zuvor. »Ich habe ihn hinterher gesehen, allein hinter den Stallungen. Deshalb wusste ich auch, wen du meinst, denn ich hatte nach seinem Namen gefragt. Mich hat er damals nicht gesehen. Er lag auf den Knien und Tränen liefen ihm übers Gesicht. Er hat abwechselnd Entschuldigungen dir gegenüber gestammelt und den alten Eid wiederholt. Nicht einfach auf ›die Königin von Andor‹, sondern auf ›Königin Morgase von Andor‹. Er hat auf die alte Art geschworen, auf sein Schwert nämlich, und damit hat er sich in den Arm geschnitten, um zu zeigen, dass er lieber den letzten Blutstropfen vergießen werde als meineidig zu werden. Ich habe einige Erfahrung mit Männern, Mädchen. Der da wird dir folgen, auch wenn er mit bloßen Händen einem ganzen Heer gegenübersteht.«
    Es tat gut, das zu hören. Wenn sie ihm nicht vertrauen konnte, müsste sie demnächst sogar an Lini zweifeln. Nein, bestimmt nicht an Lini. Er hatte also auf die alte Art geschworen? Das war mittlerweile eigentlich der Stoff von Legenden. Ihre Gedanken schweiften schon wieder ab. Sicherlich trübte doch Gaebril nun ihren Verstand nicht mehr, bei allem, was sie jetzt wusste. Warum wünschte sich ein Teil ihrer selbst dann immer noch, in ihr Gemach zurückzugehen und auf ihn zu warten? Sie musste sich konzentrieren. »Ich brauche ein einfaches Kleid, Lini. Eines, das nicht zu gut sitzt. Ein bisschen Russ aus dem Kamin dazu, und …«
    Lini bestand darauf mitzukommen. Morgase hätte sie auf einem Stuhl festbinden müssen, um sie zurückzulassen. Sie hatte wohl immer schon zerbrechlich gewirkt, war aber kräftiger, als sie aussah. Als sie aus dem kleinen Seitenausgang schlüpften, sah Morgase sich selbst kaum noch ähnlich. Ein wenig Ruß hatte ihr rotgoldenes Haar dunkel gefärbt, ihm den Glanz genommen, sodass es jetzt strähnig und ungepflegt wirkte. Der Schweiß, der über ihr Gesicht rann, tat sein Übriges. Niemand glaubte, dass Königinnen schwitzten. Ein sackartiges Kleid aus grober und sehr rauer grauer Wolle mit einem Hosenrock vollendete die Verkleidung. Selbst ihr Unterhemd und die Strümpfe waren aus grober Wolle gefertigt. Sie sah aus wie eine Bauersfrau, die mit ihrem Zugpferd zum Markt geritten war und sich nun noch ein wenig in der Stadt umsehen wollte. Lini sah aus wie immer, mit steifem Kreuz und strenger Miene. Sie hatte ein Reitkleid aus grüner Wolle an, das wohl gut geschnitten war, aber etwa zehn Jahre hinter der Mode herhinkte.
    Morgase unterdrückte den Wunsch, sich zu kratzen, und verwünschte die andere, weil sie ihren Wunsch, dass das Kleid nicht gut sitzen solle, so wörtlich genommen hatte. Ihr altes Kindermädchen hatte das tief ausgeschnittene Kleid unter das Bett gestopft und etwas geknurrt von »Waren zeigen, die sie gar nicht verkaufen wolle«. Als Morgase behauptete, den Spruch habe sie wohl gerade selber erfunden, gab sie ihr zur Antwort: »Wenn ich in meinem Alter etwas erfinde, ist es immer noch eine alte Redensart.« Morgase hegte den leisen Verdacht, dieses kratzige, sackartige Kleid sei die Bestrafung für das tief ausgeschnittene, das sie vorher getragen hatte.
    Die Innenstadt war auf Hügeln erbaut, und die Straßen folgten den natürlichen Hanglinien, sodass sie plötzliche Ausblicke auf Parks mit unzähligen Bäumen und Denkmalen gewährten, oder auf mit glasierten Ziegeln geschmückte Türme, die im Sonnenschein in hundert verschiedenen Farben schimmerten. Plötzliche Anhöhen gaben dann den Blick auf die gesamte Stadt Caemlyn frei und auf die sanfte Ebene und die Wälder in der Ferne. Morgase beachtete nichts davon, als sie sich durch die Menschenmenge auf den Straßen drängte. Normalerweise hätte sie sich bemüht, den Gesprächen zu lauschen, um die Stimmung im Volk einschätzen zu können. Diesmal hörte sie jedoch nur das Stimmengewirr einer großen Stadt. Sie dachte auch nicht daran, einen Versuch zu unternehmen, das Volk in eine Rebellion zu führen. Tausende von meist nur mit Steinen und ihrem Zorn bewaffneten Männern konnten durchaus die Wachen am Königspalast überwältigen, doch spätestens bei den Ausschreitungen im Frühjahr, durch die sie auf Gaebril aufmerksam geworden war, und die

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