Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
Es musste sein, doch sie hoffte, sie würden an diesem Feuer nicht verbrennen. »Ich kann dir das nicht sagen, Rand. Ich habe kein Recht dazu. Es ist nicht an mir, dir das mitzuteilen.« Und das war die Wahrheit. Außerdem hätte sie ihm nicht einmal sagen können, wo Salidar eigentlich lag, nur dass es sich hinter Altara irgendwo am Eldar befinden musste.
Er beugte sich eindringlich vor. »Ich weiß, dass sie sich bei Aes Sedai aufhält. Du hast mir selbst gesagt, dass mich diese Aes Sedai möglicherweise unterstützen werden. Fürchten sie sich vor mir? Sollte das der Fall sein, werde ich einen Eid ablegen, sie in Ruhe zu lassen. Egwene, ich will Elayne den Löwenthron und den Sonnenthron übergeben. Sie hat einen Anspruch auf beide; Cairhien wird sie genauso schnell anerkennen wie Andor. Ich brauche sie, Egwene.«
Egwene öffnete den Mund – und dann wurde ihr klar, dass sie Rand alles erzählen wollte, was sie über Salidar wusste. Gerade noch rechtzeitig klappte sie den Mund wieder zu und biss die Zähne so hart aufeinander, dass ihr die Kiefer schmerzten. Dann öffnete sie sich Saidar . Das süße Gefühl, endlich zu leben, so stark, dass es alles andere überwältigte, schien ihr zu helfen. Langsam verflog der Drang zu sprechen.
Er ließ sich mit einem Seufzen zurücksinken, und sie musterte ihn mit weit geöffneten Augen. Natürlich hatte sie gewusst, dass er der stärkste Ta’veren war seit Artur Falkenflügel, aber selbst in solchem Maße davon beeinflusst zu werden, war etwas anderes. Sie konnte nur mit Mühe vermeiden, die Arme um ihren Oberkörper zu klammern und zu schaudern.
»Du sagst es mir nicht«, stellte er fest. Es war nicht als Frage gemeint. Er rieb sich die Unterarme mit knappen Bewegungen durch die Ärmel hindurch und erinnerte sie damit daran, dass sie Saidar in sich aufgenommen hatte. Auf diese geringe Entfernung würde er das als schwaches Prickeln auf der Haut wahrnehmen. »Hast du geglaubt, ich wolle dich zum Sprechen zwingen?«, fauchte er zornig. »Bin ich ein solches Ungeheuer geworden, dass du die Macht gebrauchen willst, um dich vor mir zu schützen?«
»Ich brauche gar nichts, um mich vor dir zu schützen«, erwiderte sie, so ruhig sie konnte. Immer noch hatte sie Magenschmerzen. Er war Rand, und er war ein Mann, der die Macht benützen konnte. Etwas in ihr hätte sich am liebsten angsterfüllt geduckt und geheult. Sie schämte sich des Gefühls, aber das ließ es auch nicht verfliegen. So ließ sie Saidar fahren und bereute es, als sie dabei ins Zögern geriet. Aber es spielte keine Rolle. Sollte es zu dieser Art von Auseinandersetzung kommen und wäre sie nicht in der Lage, ihn vorher noch schnell abzuschirmen, hätte er genauso leichtes Spiel mit ihr wie beim Armdrücken. »Rand, es tut mir so leid, dass ich dir nicht helfen kann, aber es geht nicht. Und trotzdem bitte ich dich um deine Hilfe. Du weißt, dass du damit auch dir selbst helfen könntest.«
Sein Zorn verging unter einem Grinsen, das sie langsam verrückt machte. Es war beängstigend, wie schnell ein solcher Wandel in ihr vorging. »›Eine Katze für einen Hut, oder einen Hut für eine Katze‹«, zitierte er.
Aber für nichts gibt’s nichts, beendete sie das Sprichwort in Gedanken. Sie hatte das von Leuten aus Taren Fähre gehört, als sie noch ein Mädchen war. »Du kannst dir die Katze in den Hut stecken und in deine Hose stopfen, Rand al’Thor«, sagte sie in kaltem Ton zu ihm. Auf dem Weg nach draußen beherrschte sie sich so weit, dass sie die Tür nicht zuknallte, aber nur gerade so eben.
Im Weggehen fragte sie sich, was sie nun machen sollte. Irgendwie musste sie die Weisen Frauen dazu bringen, sie wieder nach Tel’aran’rhiod zu lassen – sozusagen auf legale Weise. Früher oder später würde er ohnehin auf die Aes Sedai aus Salidar treffen, und es würde sehr hilfreich sein, könnte sie vorher noch mit Elayne oder Nynaeve sprechen. Sie war schon ein bisschen überrascht, dass Salidar nicht bereits Verbindung mit ihm aufgenommen hatte. Was hielt Sheriam und die anderen noch zurück? Nun, sie konnte diesbezüglich nichts unternehmen, und sie wussten es wahrscheinlich sowieso besser als sie.
Etwas hätte sie aber Elayne gern sofort mitgeteilt: Rand brauchte sie. Es klang, als meine er das ernster als alles, was er je in seinem Leben gesagt hatte. Das sollte ihr alle Sorgen nehmen, ob er sie noch immer liebte oder nicht. Kein Mann sagte einer Frau auf diese Art, er brauche sie, wenn er sie
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