Das Rad der Zeit 6. Das Original: Herr des Chaos (German Edition)
ausseht, Nynaeve, könnte man fast glauben, Ihr wärt zornig, aber ich weiß, dass Ihr ein solch freundliches Gemüt besitzt, dass die Menschen Euch stets um Rat fragen.«
Neben ihm stand Juilin Sandar, dieser hagere Bursche, der wie aus Holz geschnitzt wirkte und sich auf einen daumendicken Bambusstock lehnte. Juilin war Tairener, nicht Taraboner, aber er trug dennoch diese lächerliche, oben flache, kegelförmige rote Kappe, die jetzt noch beschädigter war als bei ihrem letzten Zusammentreffen. Er riss sie sich vom Kopf, als sie ihn ansah. Beide Männer waren staubbedeckt und von der Reise erschöpft, mit hageren Gesichtern, obwohl sie beide auch vorher nicht besonders fleischig gewesen waren. Sie wirkten, als hätten sie die letzten Wochen, seit sie Salidar verlassen hatten, in ihren Kleidern geschlafen, wenn sie nicht im Sattel gesessen hatten.
Bevor Nynaeve etwas sagen konnte, wurden sie von einem menschlichen Sturm überrannt. Elayne warf sich so heftig auf Thom, dass er stolperte. Er schob natürlich seine Hände unter ihre Arme, hob sie hoch und wirbelte sie, trotz seines leichten Hinkens, im Kreis herum wie ein Kind. Er lachte, als er sie wieder absetzte, und sie lachte ebenfalls. Sie griff aufwärts und zog ihn am Bart, und sie lachten noch lauter. Er betrachtete ihre Hände, die genauso runzlig waren wie Nynaeves, und fragte sie, in welche Schwierigkeiten sie geraten war, ohne dass er sie auf dem rechten Weg halten konnte, und sie erwiderte, dass sie niemanden brauchte, der ihr sagte, was sie tun sollte; nur brachte sie dies errötend und kichernd hervor und biss sich auf die Lippen.
Nynaeve atmete tief durch. Manchmal benahmen sich die beiden entschieden zu sehr wie Vater und Tochter. Manchmal schien Elayne zu glauben, dass sie ungefähr zehn Jahre alt war, und Thom ebenfalls. »Ich dachte, du hättest heute Morgen Novizinnenunterricht, Elayne.«
Die andere Frau warf ihr einen Seitenblick zu, sammelte sich in dem verspäteten Versuch, Würde zu zeigen, und beschäftigte sich dann mit ihrem Gewand. »Ich habe Calindin gebeten, den Unterricht zu übernehmen«, sagte sie beiläufig. »Ich dachte, ich könnte dir Gesellschaft leisten. Und ich bin froh, dass ich es getan habe«, fügte sie mit einem für Thom gedachten Grinsen hinzu. »Jetzt kannst du uns alles berichten, was du in Amadicia erfahren hast.«
Nynaeve schnaubte. Ihr Gesellschaft leisten, also wirklich! Sie erinnerte sich nicht an alles, was gestern geschehen war, aber sie wusste genau, dass Elayne gelacht hatte, als sie sich ausgezogen und zu Bett gegangen war, noch bevor die Sonne unterging. Und sie war sicher, sich an die Frau zu erinnern, die gefragt hatte, ob sie einen Eimer Wasser haben wolle, um ihren Kopf zu kühlen.
Thom bemerkte nichts. Die meisten Männer waren blind, obwohl er sonst ausreichend scharfsinnig war. »Wir werden uns beeilen müssen«, sagte er. »Jetzt, wo Sheriam uns ausgefragt hat, will sie, dass wir einigen Sitzenden persönlich berichten. Glücklicherweise ist es nicht sehr viel. Es sind nicht einmal genug Weißmäntel am Eldar, um eine Maus von der Überquerung abzuhalten, die sich einen Tag vorher mit Pauken und Trompeten ankündigt. Bis auf eine starke Streitmacht an der Grenze nach Tarabon und den Männern, die er im Norden zur Verfügung hat, um den Propheten aufzuhalten, scheint Niall auch noch die letzten Weißmäntel um Amadicia zu versammeln, und Ailron zieht seine Soldaten ebenfalls ein. Das Gerede von Salidar hat schon angefangen, bevor wir aufgebrochen sind, aber wenn Niall auch nur einen zweiten Gedanken an den Ort verschwendet hat, konnte ich nirgendwo einen Hinweis darauf entdecken.«
»Tarabon«, murmelte Juilin und betrachtete seine Kappe. »Ein schreckliches Land für jemanden, der nicht auf sich aufpassen kann – das haben wir zumindest gehört.«
Nynaeve war sich nicht sicher, wer von den beiden besser darin war, sich nichts anmerken zu lassen, aber sie zweifelte nicht daran, dass beide so gut lügen konnten, dass sogar ein Händler grün vor Neid würde. Und gerade jetzt war sie überzeugt, dass sie etwas verbargen.
Elayne erkannte noch mehr. Sie ergriff Thoms Rockaufschlag und blickte zu ihm hoch. »Du hast etwas über meine Mutter erfahren«, sagte sie ruhig; es war keine Frage.
Thom zupfte an seinem Bart. »Es gibt in jeder Straße Amadicias hundert Gerüchte, Kind, und eines ist wilder als das andere.« Sein knorriges, ledriges Gesicht war die pure Unschuld und Offenheit, aber der
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